Reise 5: Nordlicht, Teil 2

RestNavi

 

Dienstag, 04.06. bis Donnerstag, 01.08.2013

Hamburg - Rostock - Rügen - Usedom - Stettin - Danzig - Masuren - Vilnius - Litauen - Lettland - Riga - Estland - Tallinn - St. Petersburg - Helsinki - Tallinn
(Mitreise von Gaby in Helsinki, 25. bis 29.07.)

 

Dienstag, 04.06.:  Gestern Abend um 21 Uhr bin ich wieder wohlbehalten beim Camper angekommen. Dieser stand noch so da, wie ich ihn verlassen habe. Kurzes Auspacken, Kaffee und Frikadellen im Tankstellen-Shop und Cigarillo auf einer Parkbank - dann schlafen. Zumindest so gut es ging. Denn rund um die Tankstelle herrschte die ganze Nacht Verkehr. Und dabei ging es nicht immer leise zu und her. Heute DSC01194Morgen restliches Auspacken und Einräumen, Camper wieder auf Vordermann bringen (Schilder montieren, Diesel und Gastank auffüllen, Druck der Luftfederung und der Reifen überprüfen), Einkaufen bei Lidl gleich nebenan, Kaffee und Gipfeli sowie Toilette im Tankstellen-Shop. Dann Aufbruch zum 2. Teil meiner Reise: zuerst quer durch Hamburg, dann wieder an Lübeck und Wismar vorbei der Ostseeküste entlang Richtung Rostock. Dabei begegne ich doch tatsächlich einem Weiler Vogelsang - Erinnerungen an Eich! Der blaue Weg (Vorschlag des Marco Polo Reiseführers) führt mich als erstes zum Ostseebad Rerik. Einem malerischen Städtchen zwischen Ostsee und Salzhaff. Grosse DSC01197Überraschung dDSC01195a: die Pfarrkirche St. Johannes. Von aussen Backstein-Frühgotik und ein quadratischer Turm mit achteckigem Helm (einer sog. Bischofsmütze). Schön, aber nicht aufregend. Das Innere dagegen ist mit seiner ganz speziellen und wunderschönen barocken Ausmalung ein absoluter Knüller. Der Küster macht mich zudem auf eine Besonderheit der Kanzel aufmerksam: sie verfügt über eine im Volksmund genannte “Eieruhr” - eine vierteilige Sanduhr, die den Pfarrer von zu langem Predigen abhalten soll. Von Rerik aus gehts auf schmalen Strassen zum grössten Seebad Mecklenburgs: nach Kühlungsborn. Hier finde ich im 5-Stern Campingpark einen Platz, wo ich etwa 3 Tage bleiben möchte.

Mittwoch, 05.06.:  Kühlungsborn ist ein interessantes Städtchen: Zusammengesetzt aus 2 ehemaligen Dörfern. Der Strand ist etwa 5km lang und dem ganzen Strand entlang zieht sich die Seepromenade. Dahinter liegen am einen Ende West- und am anderen Ost-Kühlungsborn. Zwischen den beiden Ortsteilen erstreckt sich über mehr als 1,5km Länge und etwa 1km Breite der Stadtpark. Ost-Kühlungsborn ist dabei der mondänere, West-Kühlungsborn mit dem Campingpark der ruhigere Ortsteil. Nach dem gemütlichen Zmorge-Tee radle ich erst mal die Seepromenade ab. Hier ist ein klares Radlerparadies: ausser mir sind noch jede Menge weitere Fahrer unterwegs. Allerdings in einer Art Catch-as-catch-can. Die einzige Regel: Hallo, jetzt komme ich! Bei der Seebrücke (Landungssteg) in Kühlungsborn Ost wende ich mich nach rechts und ziele den Bahnhof Ost an. Jeden Mittwoch ist hier Wochenmarkt. Er entpuppt sich als bescheidene Ausgabe vom Markt in St.Tropez. Klein, aber alles da: Lebensmittel, Blumen, Kleider, Haushaltwaren, lokale Spezialitäten, Fressbuden. Und gerade sehe ich Molli noch entschwinden: die Dampfbahn, die von Kühlungsborn nach Bad Doberan fährt. Mein Plan sieht ja vor, sie morgen zu benutzen und Bad Doberan sowie das Seebad Heiligendamm zu besichtigen. Zurück zum CampingpaDSC01212rk gehts quer durch den Stadtpark - der sich allerdings mehr als Wald denn als Park erweist. Nach dem Mittagessen besuche ich die Kunsthalle. Unter dem Titel “Ist das Kunst oder kann das weg?” haben Kunststudenten eine Ausstellung kreiert. Das Projekt ist unterschiedlich spannend: viele beziehen sich einfach auf Bekanntes - nur wenige gestalten wirklich Neues. Die Qualität ist recht gut: sie geht von mittel bis hoch. Und ein paar Arbeiten sind gar vielversprechend. Den Rest des Tages nutze ich um aufzuräumen, zu waschen und zu putzen.

Donnerstag, 06.06.:  Molli hat eine spannende Geschichte. Das Schweriner Herzoghaus hat Doberan als Sommerresidenz erkoren, und am Heiligen Damm nahmen Durchlaucht und seine Gäste gerne ein Bad in der Ostsee. Daher wurde Ende 18.Jhdt. diese Bäderbahn gebaut. Später wurde sie dann zu den beiden anderen Ostseebädern Brunshaupten und Arendsee - den heutigen Kühlungsborn Ost und West - verlängert. Früh stehe DSC01213ich auf, um mit einem der ersten Züge nach Bad Doberan zu fahren. Mein Bike nehme ich mit. Im Zug überraschen mich DSC01231die Diskrepanz zwischen der damaligen Holzklasse (3. Klasse) und dem Salonwagen (eleganter nostalgischer Speisewagen). Natürlich setze ich mich in letzteren und trinke während der 45-minütigen Fahrt einen Milchkaffee. In Doberan schnauft der Zug mitten durchs Dorf, das die entsprechende (enge) Strasse humorvoll “Molli-Strasse” taufte. Das DoberaDSC01223ner Münster ist ein Highlight norddeutscher Backstein-Gotik. Sein mittelalterliches Inneres gilt weltweit als die am vollständigsten erhaltene Originalausstattung des 12. und 13.Jhdts.DSC01225 Beeindruckend sind sein Hochaltar, die Marienleuchte, sein Chorgestühl - sowie die fürstlichen Grablegen. Im Park des Münsters fällt mir eine moderne Plastik auf. Auf dem Rückweg steige ich in Heiligendamm aus. Wegen seiner weissen klassizistischen Gebäude am Strand bekam dieser Ortsteil von Doberan den Beinamen “Weisse Stadt am Meer”. Leider wurden DSC01226diese Häuser in der DDR-Zeit heruntergewirtschaftet und blieben jetzt lange leer. Erst seit rund 10 Jahren wurde Heiligendamm wieder mit der Restauration des Grand Hotels und einer angrenzenden Klinik aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Es braucht aber noch einige Investoren, bis das Bad wieder zu seinem ehemaligen Glanz findet. Im herzöglichen Wartsaal von Heiligendamm esse ich feine Bärlauch-Spaghetti, bevor ich den Zug zurück nach Kühlungsborn nehme.

DSC01235Freitag, 07.06.:  Tee und Zusammenräumen, dann gemütlich derDSC01233 Küste nach auf den Weg. An Nienhagen (Ostseebad im Taschenformat) vorbei nach Warnemünde. Wo eben die Warne - oder Warnow - in die See mündet. Dieses Seebad gehört seit 1323 zu Rostock. Und ist heute sicher das beliebteste an der Küste, weil es alles bietet, was sich Urlauber wünschen: breite Sandstrände, moderne Hotels, gute Restaurants und urige Kneipen, edle Boutiquen sowie ein schickes Nachtleben. So promeniert am Alten Strom alles, was sehen und gesehen werden möchte. NatDSC01241ürlich auch ich... Kennzeichen von Warnemünde ist der alte Leuchtturm. Im modernen Gebäude an seinem Fuss - dem Teepott - esse ich mit direktem Blick auf den Sandstrand und auf die ein- und ausfahrenden Schiffe ein feines Mittagessen. Über die Unterwarnow geht ja ein Seehafen bis nach Rostock, wodurch diese Hansestadt direkten Zugang zur internationalen Seefahrt hat. Und nicht nur Lastkähne kommen hier vorbei. Der Hafen ist auch bei grossen Kreuzfahrtschiffen beliebt. Danach nehme ich die Warnow-Fähre zur Hohen Düne und fahre weiter nach Markgrafenheide, wo ich im Baltic Camping Platz finde.

Samstag, 08.06.:  Der kalte Wind hat in den letzten Tagen etwas nachgelassen. Doch DSC01251heute frischt er wieder unangenehm auf. Trotz blauem Himmel und Sonne ist es kühl. Biken ist nicht drin, also eine Rundfahrt mit dem “Mississippi-Dampfer” Schnatermann durch die Naturschutzgebiete der Rostocker Heide und durch den Hafen von Rostock. Über den Radelsee geht es zum beliebten Erholungsgebiet Schnatermann und durch den Breitling mit dem Überseehafen zur Warnemündung und zurück. Vorbei an der goldenen Statue “Esperanza” in der Hafeneinfahrt. Faszinierende Natur im Kontrast zur modernen Seefahrt. Am Nachmittag faulenzen und am Abend skypen.

DSC01278Sonntag, 09.06.:  Heute bin ich früh auf. Der Himmel ist bedeckt und die Sonne scheint nur ab und zu durch. Dafür hat der Wind wieder etwas nachgelassen. Ich ziehe mich warm an und radle los. Ziel: Rostock Zentrum. Von der Touristen-Info sind 23km angesagt. In Realität sind es deutlich weniger - etwa 16. In 50 Minuten bin ich da - auch wenn ich teilweise Wald- und Schotterwege fahren muss. Die Strecke über den Stuthof, Nienhagen, Hinrichsdorf und Neu-Dierkow ist sehr schön - sie führt durch den Wald, über Heide, an Teichen und Mühlen vorbei. Bis sie halt in der Stadt mündet, wo ich aber relativ schnell im Zentrum bin. Als Altstadt-Wanderung gibt es den grünen Weg, der an allen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt. Ich beginne beim Alten Markt mit der PetrikircheDSC01277 und fahre über die Nikolaikirche am Kuhtor vorbei zum Steintor mit dem Lagebuschturm und dem Ständehaus. Die beiden DSC01275Kirchen und das Kuhtor wecken bei mir den Eindruck, dass die Renovationswelle Rostock noch nicht so richtig erreicht hat. Ab da allerdings werde ich eines besseren belehrt. Vor allem, wie ich zum Neuen Markt mit dem Rathaus und der St. Marienkirche komme. Beide gotischen Altbauten und alle Patrizierhäuser sind wieder auf Hochglanz gebracht. Der Platz davor mit einer modernen Plastik aufgemotzt. Das Innere der Marien-Basilika überrascht mit vielen originalen Details. Von da führt der Weg an der Uni Rostock und am alten Kloster “Zum Heiligen Kreuz” (auch noch nicht renoviert) vorbei DSC01272zum Kröpeliner Tor, dem prächtigsten der einst 22 Stadt- und Wassertore. Das sechsgeschossige Tor ist heute stadtgeschichtliches Begegnungs-Zentrum. Nun gehts den Kanonsberg hinunter zum Stadthafen. Auch hier stehen die riesigen umgenutzten und DSC01273renovierten Speicher noch neben alten Bruchbuden. Am Kai hat die Santa Barbara Anna angemacht - ein alter Dreimaster. Und schon ist der grüne Weg fertig. Ich überlege, ob ich mit dem Linienschiff hoch nach Warnemünde und dann mit dem Bike der Küste nach fahren soll. Wäre natürlich viel kürzer, aber auch weniger schön. Ich entscheide mich, wieder da zurück zu fahren, wo ich hergekommen bin. Irgendwo erwische ich dann aber den völlig falschen Weg und Einheimische müssen mir erklären, wie ich wieder auf den richtigen komme. Glücklicherweise quer durch einen grossen schönen Park. Zurück im Camper gibt es Zmittag/Znacht. Am Abend vergnüge ich mich im Baltic Spa - dem Wellness-Zentrum des Campingplatzes.

Montag, 10.06.:  Grosser Schreck beim aufräumen: der hintere Reifen des Bikes ist platt. Hier im Camping hat es einen Fahrrad-Verleih. Der Mechaniker sieht sich das an und streckt die Hände. Er repariert zwar, aber Ballon-Reifen und sowieso diese Grösse hat er nicht. Zudem ist ihm das Hinterrad mit dem Antrieb und der Schaltung zu kompliziert zum ab- und anmontieren. Wenn er etwas kaputt machen würde, hätte er nicht mal Ersatzteile. Er reinigt das Ventil, schraubt es wieder ein und pumpt den Reifen auf: “Wenns hält ist gut und sonst zum Fachmann, z.B. in Graal-Müritz!” (dem nächsten Dorf, wo ich durchkomme). Nach 1/2std. ist der Reifen wieder ohne Luft. Vor Graal-Müritz fahre ich aber noch zum Netto, um einzukaufen. Der “Fachmann” verschreibt mir dann 3std. Zwangsaufenthalt in Graal-Müritz, vermutlich einem ehemaligen Vorzeige-Bad der DDR. An einzelnen Details merkt man dies heute noch, auch wenn nach der Wende sicher Neues dazu gekommen ist. So hört man z.B. fast nur die sächsische Sprache - man ist diesem Bad offensichtlich treu geblieben. Die investierte Zeit kommt mir lange vor - lohnt sich aber: das Rad funktioniert wieder einwandfrei. Mit neuem Elan gehts dem Saaler Bodden entlang durch Fischland nach Darss. Eine ausgesprochen schöne grüne Region mit Weiden, Heide und Wäldern. An Wustrow, Ahrenshoop, Born und Wieck fahre ich erst mal vorbei. Ich kann ja nicht alle Seebäder ansehen. Mein Ziel ist Prerow - und da der Camping Regenbogen. Perfekter Ausgangspunkt für Fahrrad-Touren auf den Inseln Darss und Zingst.

Dienstag, 11.06.:  Am Morgen bin ich einer der ersten. Allein mit der Natur. Die Hasen und auch die Schwalben schütteln mir fast die Hand, der Specht trommelt dazu. Hoffentlich DSC01286sind hier die Wildschweine nicht auch so familiär. Heute habe ich eineDSC01289 Darss-Rundfahrt geplant: zuerst zur Nordspitze - dem “Darsser Ort” mit dem grossen Leuchtturm -, dann quer durch den Nationalpark “Vorpommersche Boddenlandschaft” nach Born. Sandstrände, Dünen, viel Föhren- sowie Laubwald - und Sümpfe mit gelben und blauen Lilien am Rande. Auf Darss geschieht alles verlangsamt: Man bewegt sich und spricht im Schneckentempo, aber auch Geschäfte öffnen frühestens um 10, wenn nicht erst um 11. So gibts heute einen späten Frühstückskaffee. Born ist berühmt für seine schönen alten DSC01292Reethäuser - und wehrt sich immens gegen moderne Bauten (z.B. auch gegen Aldis, Lidls usw.). Von Born aus pedale ich über Wieck zurück nach Prerow - alles dem Schilfgürtel des Bodden entlang. Am Hafen von Prerow wird gerade Fisch geräuchert - ich kann nicht widerstehen. So langsam habe ich nach 4 Stunden meine Mühle drehen auch Hunger. Ich entscheide mich für Aal mit Pommes, dazu ein Pils - und weils so gut schmeckt, gleich noch einen Käsekuchen hinterher. An der Seebrücke von Prerow vorbei radle ich dann zurück zum Campingplatz, wo ich noch thCA5KXQBSeine längst fällige Wäsche mache.

Mittwoch, 12.06.:  Gestern Abend ging ich noch vor Sonnenuntergang zum Strand. Und erst da wurde mir bewusst, wie gross der Regenbogen-Camping wirklich ist. Er hat 9 Abschnitte - jeder allein so gross wie sonst ein ganzer Campingplatz. Zu 2 Dritteln etwa FKK und zu 1 Drittel sowie den zentralen Einrichtungen bekleidet. Noch spannender war aber als ich realisierte, an was für einem Strand ich da gelandet bin. Rund 13km lang, etwa 50m breit und total feinsandig, weiss fast wie Puderzucker. Jetzt verstehe ich, wieso der TV-Sender Arte diesen Strand zu einem der schönsten 20 der Welt gekürt hat - in einem Zug genannt mit der Copacabana oder Miami-Beach. Viel weniger mondän zwar, dafür urwüchsig und romantisch. Diese naturgeschützte, fast unberührte Landschaft ist passenderweise feDSC01300st in den Händen der FKK-Anhänger. Heute bike ich nach Zingst - der Nachbarinsel. An der Hohen Düne vorbei über den Seedammweg. Zingst ist berühmt für seine Vogel-Beobachtungsstellen. Jeden Herbst ziehen hier die grauen Kraniche vorbei. Manchmal machen um die 60’000 vorübergehend Rast. Jetzt gibt es allerdings ausDSC01304ser déjà-vus nichts Neues zu entdecken. Im Hafen esse ich beim Italiener eine Kleinigkeit: endlich wieder mal eine richtige Salatsauce - nicht so ein Zuckerwasser wie hier üblich. Gegenüber liegt der “Futter-Kutter” mit seinen Fischbrötchen. Jetzt weiss ich, wieso die Leute hier oben den Spitznamen “Fischköppe” haben: überall Fisch - geräuchert, gebraten, gekocht. Auf dem Rückweg klettere ich noch auf die Hohe Düne und schiesse ein paar Fotos von der Boddenlandschaft und der rückwärtigen Düne.

Donnerstag, 13.06.:  In der Nacht ist es warm geworden, der Wind weht nicht mehr von DSC01307Nord, sondern von Südwest. Und er bringt Nieselregen. Ich DSC01313packe schnell zusammen und mache mich auf den Weg Richtung Rügen. Erste Station das Städtchen Barth - das sog. östliche Tor zur Inselkette Zingst-Darss-Fischland. Kleinstadtidylle pur: am Markt, in der Fussgängerzone, im Hafen. Nach meinem Frühstücks-Kaffee ziehe ich weiter nach Stralsund. In der DSC01322Marienkirche komme ich wieder einmal in den Genuss einesDSC01320 Orgelkonzertes - und zwar auf der berühmten Stellwagen-Orgel von 1659. Aber auch sonst bietet die frühgotische Backstein-Basilika einiges an spannenden Details. Lebhaft geht es auf dem Alten Markt vor dem Rathaus zu. Trotz Wetterlaunen. Über die ca. 2500m lange Rügen-Brücke erreiche ich endlich Rügen. Quer über die ganze Insel fahre ich zum nördlichsten Punkt: Putgarten, Kap Arkona und Vitt. Beim Ausgangspunkt Putgarten muss ich parkieren.DSC01325 Per Auto gehts hier nicht mehr weiter. Entweder per Rügen-Bahn oder zu Fuss.DSC01324 Oder eben per Bike. Der Regen nieselt manchmal immer noch. Dennoch entscheide ich mich für meinen Flitzer. Am Leuchtturm von Kap Arkona wartet die Marine-Bunkerstation der 6. DDR-Flotille. Mässig aufregend. Vitt gefällt mir schon viel besser: ein original erhaltenes und total restauriertes Fischerdorf aus dem 13.Jhdt. Heute aber nicht etwa Museum, sondern von Menschen belebt. Es ist schon spät geworden. In der Nähe finde ich Unterschlupf im Campingplatz Drewoldke. Morgen werde ich dann sehen, wie es weiter geht. Hängt auch vom Wetter ab.

Freitag, 14.06.:  In der Nacht hat es wie vorausgesagt geschüttet. Im warmen Camper DSC01331noch ein ganz gemütliches Gefühl. Gemäss der Wetterlage fahre ich heute weiter. Über Königsstuhl mit seinen weissen Kalkfelsen und Sassnitz Richtung Binz. Auf dem Weg fallen mir die ersten Kornfelder mit Mohn- und Kornblumen auf. Für den Nationalpark Königsstuhl parkiere ich den Camper auf dem Wohnwagen-Stellplatz Hagen. Von da aus wandere ich auf Empfehlung hin über den 40-minütigen Fussweg. DSC01333Was sich wirklich lohnt. Der Wald erzählt eine fast 1000-jährige Geschichte: mit den “Heiligen Hallen” der uralten Buchen, die wie Säulen DSC01335eines Tempels stehen. Oder den “Eindringlingen” - den ortsfremd gesetzten Fichten. Mit dem Opferstein und dem Sagenstein. Mit der Hertha-Trutzburg, wo sich die Menschen in Kriegszeiten versammelten, um sich zu verteidigen. Oder dem sagenumwobenen Hertha-See, wo die Göttin Hertha gebadet haben soll. Und den Torfmulden, wo über lange Zeit 6m Torf abgebaut wurde, und die sich jetzt mit Wasser und Plankton gefüllt haben - und pro Jahr wieder 1mm Torf bilden (bis wieder 6m da sind, vergehen also rund 6000 Jahre!). Oder den Jagen, alten Marksteinen, die die Jagdgebiete abgrenzen. Im Königsstuhl schaue ich mir die Kreidefelsen sowie die Erlebnis-Ausstellung und den Film über deren Entstehungsgeschichte an.DSC01342 Zurück zum Stellplatz nehme ich den Zubringer-Bus. Über Sassnitz - wo ich noch schnell einiges einkaufe - gelange ich zum Camping Meier in Prora, östlich von Binz. Am Abend bike ich noch schnell die 4km nach Binz. Uiuiui, was für ein Gewimmel. Schnell zurück - das kann warten bis morgen. Wo in Binz dann Seebrücken-Fest ist.

Samstag, 15.06.:  Mein Gott, ist heute ein Traumtag. Sattes Blau. Und heiss. Der erste Tag für kurze Hosen und “sünnele”. Vorerst aber eine grosse DSC01346Inseltour per Bike. Am Schmachter See entlang fahre ich über Lancken Granitz und das Mönchsgut zum Ostseebad Sellin. Kaum ausserhalb Binz fängt schon die totale Landwirtschaft an. Ich begegne sogar DSC01352Auerochsen. In Sellin ist die bekannte Jugendstil-Seebrücke. Sogar im Inneren ist diese original restauriert. Zum Apero degustiere ich das dort speziell hergestellte Atlantik Ale - ein obergäriges helles herbes Bier. Entspricht meinem Geschmack nicht besonders - vielleicht auch weil es etwas zu warm serviert wird. Die Treppe hinab zur Brücke ist äusserst steil. Weshalb es auch den frei nutzbaren alten Schräglift gibt. Zurück nach Binz radle ich an der Kreuzeiche, dem Finnischen Krieger und dem Jagdschloss Granitz vorbei. Dabei begegne ich per Zufall dem “Rasenden Roland” - einer Schmalspur-Dampfbahn. Die Tatsache, dass ich nicht einmal rechtzeitig den Fotoapparat zücken kann, beweist, dass er DSC01355seinen Namen zu Recht trägt. In Binz pedale ich dem Ostufer entlang zum Seebrücken-Fest. Was für ein Halligalli. Musikstadl und Festbuden-Zauber. Und vor Mitternacht gibts noch Feuerwerk. Bei näherem Betrachten kann ich mich aber dem Eindruck nicht ganz erwehren, dass das Angebot vor allem ein Maxi-Action-Paket für Rollator-bewaffnete Senioren ist. Trotzdem: den angebotenen Gyros-Teller lasse ich mir schmecken. Parallel zum Fest wird für das baldige Sand-Skulpturen-Festival geworben, wo “Künstler” Sand-Kreationen gestalten, die dann prämiert werden. Ich bestaune das erste Kunstwerk, bevor ich mich “nach Hause” aufmache. Dort dann wie erwähnt Shorts und Sonne pur! Abends noch ein heftiges Gewitter.

Sonntag, 16.06.:  Das Feuerwerk konnte gestern wegen heftigen Gewitterstürmen nicht stattfinden. Die ganze Nacht ging es in Wellen so weiter. Dafür sind heute morgen die Wolken weg. Aber es weht ein steifer und kalter Western. Nach dem üblichen Prozedere (Frühstück, Reinigen, Einräumen) bin ich wieder Kapitän der Landstrasse - unterwegs über Bergen und Stralsund zur Insel Usedom. Zwischenhalt: Greifswald. Wo die DSC01358Stadtsilhouette von den Türmen der 3 gotischen Kirchen bestimmt wird: vom Dom St.Niklaus (dem “Langen”) sowie von den Kirchen St.Marien (der “Dicken”) und St.Jakobi (der “Kleinen”). Zuerst schlendere ich über den Ryck am Hafen vorbei zum Marktplatz, wo es den üblichen Frühstücks-Kaffee gibt. Ich habe keine Lust darauf, alle Kirchen anzusehen - also wähle ich die “Dicke”, weil sie am nächsten liegt. Und oh Wunder, was erlebe ich hier: ein Haydn-Konzert auf der Mehmel-Orgel. Gut gestimmt fahre ich weiter. Über Wolgast und Zinnowitz nach Heringsdorf. Und habe im Mobilcamp gerade noch Glück: als zweiter stehe ich an - und genau 2 Plätze sind noch frei. Die 5 Camper hinter mir müssen weitersuchen. Endlich (nach 3 Tagen ohne) gibt es hier auch wieder Internet.

Montag, 17.06.:  Die Hitze, die in ganz Europa herrscht, ist auch im Norden angekommen. Schon das Frühstück nehme ich oben ohne ein. Dann los mit dem Bike: Die Seebäder DSC01371Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck sind über die Seepromenade miteinander verbunden. Trotzdem gibt es grosse Unterschiede. Das westlichste, Bansin, ist nach eigenen Angaben klein, einfach, familiär, gemütlich. Das östlichste, Ahlbeck, im Gegensatz dazu mit seinen vielen Bäderarchitektur-Häusern mondän, fast urban. Seine Seebrücke von 1898 ist mittlerweile das Wahrzeichen von ganz Usedom. Auch die Jugendstiluhr von 1911 ist ein viel fotografiertes Sujet. In Heringsdorf erinnert vieles noch an jene Zeit, als es das Seebad der Aristokratie und Hochfinanz war. Wo die Kaiser Wilhelm der Erste und der Zweite Ferien machten und es als das “Nizza des DSC01367Ostens” bezeichnet wurde. Heringsdorf  ist diskret und dezent. Die meisten der vielen schönen Villen liegen unauffällig in parkähnlichen Anlagen. Einzig die erst 1995 erbaute und mit 508m längste bewirtschaftete Seebrücke Kontinentaleuropas protzt. Allein schon der Brückenkopf mit Kino, Café, Restaurant, Fitness-Center, Ferienwohnungen und vielen Geschäften ist imposant. Für mich ein Glückstreffer: das “Alte Pommersche Theehaus”. Hier bekomme ich einen feinen Assam-Tee - und zwar als Kraut, nicht wie hier üblich nur in Beuteln. Zurück im Camp nutze ich meine Zeit und das gute Wetter zum putzen und waschen. So werde ich morgen “strahlend” nach Polen kommen. Denn der deutsche Abschnitt der Ostsee geht dann zu Ende. Er war sehr schön - auch dank des Wetters. Einzig schade, dass ich nicht von den Störtebeker-Festspielen noch von den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern profitieren konnte. Aber leider beginnen diese erst Ende Juni.

Dienstag, 18.06.:  Mein heutiges Ziel ist der Slowinski-Nationalpark, resp. der Camping Morski in Leba. Rund 350km Transfer. Von Heringsdorf aus einmal leer schlucken - und schon bin ich in Swinemünde (also Polen) angekommen. Von da will ich mit der Fähre übersetzen, aber nichts damit: diese Fähre ist nur für Einheimische!! Die Touristen-Fähre schippert 6km südlich. Hat auch Vorteile: so komme ich direkt auf den Zubringer Richtung Stettin. Von wo ich die Schnellstrasse 6 nach Danzig nehmen kann. Ich habe mich nach meinen Strassenerfahrungen in Polen nämlich für diesen Umweg entschieden. Und die Tatsachen geben mir recht: gute Strassen bis auf die letzten 20 holprigen Kilometer. Zudem ist die Strecke schön: lange Waldstrecken abwechselnd mit riesigen Kornfeldern. Mit Mohnblumen und blühenden Kartoffelfeldern. An einem Waldweiher mit Seerosen und Restaurant mache ich Rast und esse ein Wildschwein-Carpaccio und einen Salatteller mit gebratenem Hähnchen-Geschnetzeltem. Fein. Am Abend komme ich etwas gerädert an - die Hitze macht bei einer solch langen Fahrt doch etwas zu schaffen. Kurz einrichten, etwas Kleines essen, Kaffee und Cigarillo - dann schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag.

Mittwoch, 19.06.:  Der Campingplatz ist schön gelegen: mitten in einem Waldstück mit DSC01377Hecken als Unterteilung. Auch das Angebot ist modern: gute sanitäre Anlagen, Zugang zum Internet und TV. Beim Frühstückstee begrüsst mich ein Eichhörnchen. Zuerst sondiere ich meine Umgebung und DSC01384verschaffe mir eine Karte der näheren Region. Der Nationalpark ist ziemlich gross. Vieles davon müsste man zu Fuss abgehen. Was ich aber nicht will. So schränken sich meine Optionen von selbst ein: Das Dorf mit dem Hafen sowie die Wanderdünen. Natürlich per Bike. Am Morgen Dorf und Hafen, dann essen im Camper und am Mittag ab in den Nationalpark. In Leba schlendere ich herum, kaufe ein paar frische Früchte und bewundere die alten Piraten-Segelschiffe. Zu den Wanderdünen sind es vom Camping aus etwa 9km durch ein wunderschönes Waldstück. Die Dünen sind eindrücklich - vergleichbar mit den Dunes de Pyla in Arcachon. Am Abend Internet und Skypen.

Donnerstag, 20.06.:  Das Eichhörnchen sitzt auch heute bei mir am Platz. So ein richtig DSC01394fuchsrotes. Zutraulich - wie auch ein Buch- und ein Zitronenfink. Etwas nach 10 Uhr nehme ich die gut 100km nach Danzig unter die Räder. DSC01416Planung: ca. um halb 12 da - es wird fast 1. Was ich übersehen habe: die drei Städte Gdynia, Sopot und Gdansk sind in der Zwischenzeit zusammengewachsen. Das bedeutet über 30km lebhaften Stadtverkehr. Am Morgen hat es ein bisschen geregnet, jetzt ist es wieder brütend heiss. Ich brauche dringend etwas zu trinken - und etwas Kleines essen kann auch nicht schaden. Zuerst muss aber das Parkplatzproblem gelöst werden. Zur Altstadt DSC01404führt mich das Navi. Dort frage ich 3 Polizisten nach geeigneten Parkmöglichkeiten. Grosses Kopfschütteln, DSC01415also weitersuchen. Und siehe da: mitten im Zentrum ein Privatparkplatz - zwar teuer, aber sehr komfortabel. Danach 3 Stunden Stare Miesto - Altstadt - per pedes. Ein absolutes Highlight. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Backsteingotik (Danzig kann die hanseatische Vergangenheit nicht leugnen), klarer Renaissancestil, holländischer Manierismus und überquellendes Rokoko vereint nebeneinander. Etwas von Antwerpen, wie auch von Amsterdam, ein DSC01418klein wenig von Lübeck - alles gemischt mit Lebensfreude und Gastfreundschaft. Auf der empfohlenen Route hat DSC01410es mir zu viele Kirchen. So schaue ich lieber das alte Rathaus (heute Kunstmuseum), die grosse Rüstkammer, die Markthalle und natürlich den Dlugi Targ - den Langen Markt (führt vom Hohen Tor über die lange Gasse zum Grünen Tor an der Mottlau) an. An der Langen Gasse stehen dicht gedrängt viele berühmte historische Gebäude. Zurück geht es der Mottlau und dem Hafen entlang. Im Vorbeiweg werfe ich kurz einen Blick durch das Marientor in die Mariacka-Strasse, wo an hunderten von kleinen Ständen Souvenirs (aus Polen, nicht China) angeboten werden. Unter anderem natürlich vieles aus Bernstein. Mein nächstes Zwischenziel weckt hohe Erwartungen: DSC01420die Marienburg in Malbork. Ein Kunstwerk der Wehr- und Residenzarchitektur des späten Mittelalters. Die weltgrösste gotische Schlossanlage nimmt eine Fläche von ca. 21ha ein, der Rauminhalt der Gebäude beträgt über 250000m3. Die Marienburg gilt als grösstes von Menschenhand errichtetes Backstein-Bauwerk. Ich umwandere sie und schaue sie nur von aussen an. Innen ist sie nämlich Schlossmuseum - ähnlich dem Landesmuseum in Zürich, nur viel viel grösser. Dafür müsste man mindestens 1 Tag investieren. Das will ich nicht. Also fahre ich noch weiter nach Elblag, dem Tor zum Ermland und den Masuren. Hier möchte ich unbedingt den Oberländischen Kanal - einen einzigartigen Schifffahrtsweg - erleben.

Freitag, 21.06.:  Wer ist schon einmal mit dem Schiff über Land gefahren? Im Oberländischen Kanal kann man das. Im Gegensatz zu Wasserschleusen werden hier die Schiffe nämlich mit einer Art Seilbahn über geneigte Ebenen hochgezogen und runtergelassen. So werden in 5 Stufen gesamthaft 100m Höhendifferenz bewältigt. Und eine Fahrt mit dem Schiff lohnt sich nicht nur wegen des technischen Wunderwerks aus DSC01427dem 19.Jhdt. Auch die Natur, durch die der Wasserweg führt, ist einzigartig. Gerne würde ich ein Stück auf der StreckeDSC01426 Elblag-Ostroda mitfahren. Nur Pech: das ganze System ist wegen Revision ausser Betrieb. Und zwar voraussichtlich für die nächsten 2 Jahre. Wieder einmal muss ich umstellen. Zuerst zur Tourist Information: Was gibt es für Möglichkeiten? Die Info ist nicht gerade kundenfreundlich - mit steilen Holzstiegen - im 3. Stock des Stadttores untergebracht. Aber ich lerne dort einiges: Es gibt nicht nur einen einzelnen Kanal, sondern ein ganzes Kanalsystem. Und nebst den geneigten Ebenen werden auch ganz normale Wasserschleusen eingesetzt. Am wichtigsten: Wenn ich auf dem Weg nach Allenstein einen kleinen Umweg mache, kreuze ich 4 x einen Kanal. Nach Auskunft der Dame werde ich dabei aber nicht viel zu sehen DSC01431bekommen. Dennoch wage ich es und entscheide mich loszufahren. Vorher klettere ich noch auf die Aussichtsplattform des Stadttores DSC01432(wenn ich sowieso schon halb oben bin) und knipse die Fussgängerzone von Elblag. Umweg bedeutet erstens mal Beeilung (um 12 muss ich aus dem Camping sein) und dann S7 statt Autobahn nach Ostroda. In Paslek ist vom Kanal gar nichts mehr übrig - der Bau der Autobahn hat hier wohl einiges durcheinander gebracht. In Maldyty kreuze ich wenigstens den Kanal (mit Schiffen drauf), von einer Stufe weit und breit nichts zu sehen. Das gleiche in Milomlyn. Erst in Ostroda selber kann ich die Arbeiten an einer Stufe von nah fotografieren. Immerhin etwas. Nächstes Ziel: Allenstein, die Hauptstadt des Ermlandes. Heute ist es drückend heiss und wie ich dort ankomme, habe ich keine Lust mehr auf Stadthitze. Ausserhalb gibt es an einem Waldweiher den Campingplatz Dywity - ein kleines aber feines Juwel. Allerdings etwas in der Pampa und mit einer àusserst ruppigen Zufahrt. Kaum habe ich mich eingerichtet, beginnt es heftig zu donnern. Das Gewitter findet glücklicherweise nur ringsherum statt - hier kühlt es einfach angenehm ab.

Samstag, 22.06.:  Heute wird es wieder heiss. Und es soll die nächsten Tage so bleiben. Etwa 27 Grad tagsüber und knapp 20 nachts. So mache ich mich früh auf Richtung DSC01442Allenstein. Damit es in der Stadt noch einigermassen erträglich ist. DSC01443Allenstein wirkt ländlich und sehr grün. Und überall ist der Stolz der Ermländer auf ihren Landstrich zu spüren. Schwerpunkte lege ich auf den Markt, die Kathedrale und die Ordensburg. Alles in der Altstadt gelegen. Auf dem Marktplatz mit seinen barocken Laubenhäusern ist gerade Blumenmarkt. Und auf der Brücke vor dem Hohen Tor verkaufen Bauern aus der Umgebung ihre Ware: vor allem Würste, Käse, Honig und Erdbeeren. Ich kaufe ein paar Würste - schliesslich muss ich die einheimischen Produkte auch DSC01444mal versuchen. Dann trinke ich in einem der vielen Cafés meinen üblichen Morgenkaffee. In der Kathedrale fallen mir besonders der Altar, die Orgel und schöne bemalte Fenster auf. Aber wie hier DSC01448allgemein ist die Kirche als Ganzes düster und drückend. Die Burg dagegen - ursprünglich Backstein-Gotik - ist durch einen gut eingepassten “Neubau” aus der Renaissancezeit deutlich aufgelockert. Sie beherbergt heute das Ermland-Museum. Im Hof der Burg steht eine steinerne Madonna. Schade, dass nicht auszumachen ist, aus welcher Zeit sie stammt. Gerade neben der Burg liegt das “Amfiteatr”,DSC01449 wo im Moment Musik-Festspiele stattfinden. Leider habe ich dies vorher nicht gewusst. Von Allenstein aus breche ich nach Görlitz mit der Wolfsschanze auf. Ich habe immer gemeint, Görlitz müsse aufgrund seiner Weltbedeutung sicher ein grösserer Ort sein. Nichts damit. Ein verlassener Weiler mitten in einem Wald der Masurischen Seenplatte. Und dass die Polen heute noch an ihrer Geschichte - v.a. des 2. Weltkrieges - nagen, zeigt die Tatsache, dass nirgends auf diesen Ort hingewiesen wird. Obwohl er doch als Touristen-Attraktion ausgeschlachtet werden könnte. Tafeln stehen erst da, wo man praktisch schon davor steht. Spannend ist dieses Hauptquartier von Hitler mit seiner riesigen Bunker-Anlage aber allemal. Besonders auch, weil hier das Attentat von Graf Stauffenberg auf den Diktator stattfand. Schade dass man teilweise nur noch Reste der Bunker mit den 6m dicken Wänden sehen kann. Von hier aus suche ich einen Campingplatz, wo ich noch ein paar Tage die Masurische Seenplatte geniessen kann. Und werde fündig im Naturcamping Zum Teich in Harsz.

Sonntag, 23.06.:  Ich bin mitten in einem Naturreservat gelandet. In dieser Wildnis leben nebst den bei uns bekannten Tieren auch Elche, Wölfe, Bären, Marderhunde und Nerze. Nebst vielen Wildschweinen. Gestern Abend hat das ganze Camp - bestehend aus 4 DSC01461deutschen Paaren, dem Campbesitzer und mir - gefeiert. D.h. unser Gastgeber hat uns alle zu Würsten vom Grill und Wein eingeladen. Er ist Besitzer von 2 Jagen und hat sich hier in den letzten 30-40 Jahren ein kleines Paradies aufgebaut. Das er jetzt auch an Jäger, Angler, Kanuten, Wanderer und durchreisende Campierer vermietet. Sein Wohnhaus, die Blockhütten mit einfachen bis komfortableren Zimmern, die Blockhütte mit den (einfachen aber sehr sauberen) sanitären Anlagen, die Unterstände mit Tischen und Bänken (für Hitze und Regen) und die Sauna mit Sicht auf den Badesee hat er alles von eigener DSC01464Hand geschaffen. Was im Lauf der Zeit viele Geschichten ergeben hat. Von denen er uns die eine und die andere zum Besten gibt. Natürlich auch begleitet von Jägerlatein. Heute schalte ich einen Ruhetag ein. Und den ersten Badetag. In einem Grüpplein von 6 Leuten fahren wir mit den Bikes rund 20km zum Mauersee, wo ein neues Seebad gebaut wurde. Wie wir ankommen beginnt es leicht zu regnen. Dies hält uns nicht ab, wir springen ins Wasser. Die Belohnung: 22 Grad. Auf dem Rückweg kehren wir in einem lokalen Spezialitäten-Restaurant ein. Ich lasse mir Kuttelsuppe und Zander servieren. Gluschtig. Der Regen hat mittlerweile aufgehört - wir schwingen uns wieder auf die Räder. An einem Künstlerhaus mit Storchensiedlung vorbei gelangen wir in den Wald, der zum Camping gehört. Im allerletzten Stück mache ich allein noch den Abstecher zum hauseigenen Badesee. Und es hat tatsächlich viele wilde Biester in diesem Wald. Vor allem kleine, die aggressiv bsss machen. Oder auch etwas grössere, aber genau so aggressive, wie sie manchmal über den Gotthard fliegen. Schnell mache ich, dass ich zum Camper zurück komme.

Montag, 24.06.:  Diesmal hat der Wetterbericht völlig daneben gegriffen. Es ist weder sonnig noch heiss. Sondern bedeckt, aber immer noch gut 20 Grad. Ich entscheide mich, nach Litauen weiterzufahren. Für diese etwas längere Strecke ist es ja gutes Fahrwetter. Vorher muss ich aber noch einen Ölwechsel machen lassen. Der Bordcomputer liegt mir schon länger mit einem ekligen Piepsen in den Ohren und ich habe nachgelesen, dass ich beim Aufleuchten der Öllampe und diesem Ton spätestens nach 500km das Öl wechseln soll. Kaiser Bartek der Erste - wir haben den Campbesitzer so getauft - hat in Gizyzko einen Freund mit Garage. Da fahren wir hin. Der schaut sich nur die Ölspur am Boden an und meint trocken: Glück gehabt, hätte ins Auge gehen können. Wenn der Motor trocken gelaufen wäre, müsste man ihn jetzt ersetzen. Es hat zu wenig Öl im Motor, weil dieses beim Ölfilter heimlich aber unheimlich herausträufelt. Der Fehler: die Dichtung des Ölfilters wurde durch zu starkes Anziehen gequetscht und hat irgendwann auf der Strecke den Geist aufgegeben. Ich könnte meiner Garage in Wolhusen den Ölfilter um die Ohren hauen. Bartek fährt mich mit seinem Auto zu einem Ersatzteilhändler, wo wir gemäss dem Fahrzeugausweis einen passenden Ersatzfilter bekommen. In der Garage wurde in der Zwischenzeit der “alte” Filter weggemurkst und das Öl abgelassen. Neuer Filter dran, neues Öl rein und mein treues Gefährt läuft wieder “wie ein Örgeli”. Ich bedanke mich bei allen für ihre schnelle Hilfe und um 12 Uhr kann ich weiterfahren. In Suwalki gibts Zmittag und ich muss entscheiden, ob ich die südliche oder nördliche Route nehmen will. Süden führt in einen Nationalpark, der mich aber nicht besonders reizt. Schon wieder Fichtenwälder und Sanddünen. Nein. Also Nordroute. Nächste Entscheidung in Mirijampole: Kaunas oder Vilnius? Kaunas liegt deutlich näher und soll sowieso die schönere Stadt sein. In der Zwischenzeit ist es schon spät und zudem bin ich dem heissen Wetter nachgefahren - was mich ein wenig schlaucht. Ich entscheide mich für den ganz neuen Stadtcamping in Kaunas. Er liegt direkt am Strand des “Kaunasser Meeres” (einem Stausee, an dem sich Kanuten und Badefreudige tummeln).

Dienstag, 25.06.:  Kaunas ist für das Baltikum eine grosse Stadt. Mit rund 400000 Einwohner etwas grösser als Zürich. Im Wesentlichen will ich mir die Altstadt sowie die DSC01475Fussgängerzone der Neustadt ansehen. Und - ganz wichtig - das Teufels-Museum. Nach meinem Zmorgetee bike ich die 7km zur DSC01486Altstadt der Memel entlang. Ein ganz neu erstellter Radweg durch eine blumige Landschaft. Der mich direkt an die Kaunasser Burg führt. Von da aus führt der Weg zum “Weissen Schwan” - so wird das Rathaus genannt, das mit seiner Kirchenform und den klassizistischen wie barocken Elementen tatsächlich einem Schwan gleicht. Mein momentan grösstes Bedürfnis ist ein Bankomat. Schliesslich habe ich nicht einmal Geld, um auf Toilette zu geDSC01476hen. Das Schicksal meint es gut: Bankomat, Tourist-Information und ToiletteDSC01487 am Rathausplatz! Wo übrigens auch eine schräge Biker-Statue steht. Erleichtert fahre ich langsam der Vilniaus-Street in der Altstadt und gleich anschliessend der Laisves Avenue in der Neustadt entlang und lasse mich von Leuten und Angebot inspirieren. Die Leute sind verhältnismässig jung, aktiv, fleissig, nett - aber nicht wirklich herzlich. Dafür haben sie den Verkaufs-Drive drauf: überall werden Zusatz-Verkäufe gesucht und immer wird die teurere Ware empfohlen.DSC01477 Fast alle Jungen sprechen ein gutes Englisch. Ansonsten merkt man hier, dass Litauen erstDSC01489 langsam aus dem Dornröschenschlaf der sozialistischen Vergangenheit erwacht. Vieles gibt es im Angebot noch nicht. Luxusgüter sind Mangelware - als Beispiel nur schon exklusive Früchte. Die Kirchen sind auch hier am Auseinanderbröckeln. Daneben stehen dafür Bauten mit moderner Architektur. Litauen ist wieder etwas teurer als Polen. Fürs Geld bekommt man aber quantitativ viel - wenn auch qualitativ eher Mittelmass. So auch bei meinem Mittagessen beim Chinesen in der Fussgängerzone. Am Mittag suche ich das etwas ausserhalb liegende Devils Museum. Im Litauischen Volksglauben ist ja der Teufel eher ein schräger Vogel als das Böse schlechthin. Und manchmal ist nicht ganz klar, wer wen auf die Schippe nimmt: der Teufel den Menschen oder umgekehrt. Zu diesem Thema sind im Museum mehr als 2000 Exponate aus der ganzen Welt zu sehen. Auch solche von Giger. Und eines davon erklärt mir endlich, woher die Basler die Idee der “Schnitzelbängg” haben. Ganz offensichtlich eine teuflische Sache. Mit innerem Schmunzeln flitze ich zum Camping zurück. Ich muss wieder mal waschen und im Internet Banksachen erledigen.

Mittwoch, 26.06.:  Heute stehe ich um halb 5 Uhr auf. Die Sonne scheint durchs Fenster und der Strassenlärm dröhnt (Platz ist in der Nähe der Autobahn). 2 geschlagene Stunden plage ich mich mit dem Computer herum. Seit 14 Tagen geht kein Mail mehr raus bei mir. Offensichtlich können viele Provider die Verbindung zu meinem Postausgangsserver über Outlook nicht herstellen. Nachdem ich alles mögliche ausprobiert habe, lade ich einfach Firefox herunter und öffne darauf mein gmail-Konto vom Handy. Und siehe da: es geht. Wer also gerne Antwort auf sein Mail hätte, müsste mich neu über hmbolliger@gmail.com anschreiben. Schnell erledige ich noch ein paar dringende Schreiben und fahre früh los. DSC01493Die Idee: Trakai, Vilnius und Aukstaitija-Nationalpark. Zuerst komme ich auf der Autobahn ins Staunen: da gibt es tatsächlich Bushaltestellen und U-Turn-Spuren (vielleicht wenn das Navi sagt “Bitte wenden!”). Und auf dem Seitenstreifen pedalen fröhlich Radler oder schleichen Traktoren mit ihren Anhängern. Naja, das Verkehrsaufkommen ist ja nicht riesig. Am Anfang erinnert die Landschaft an Polen, wird dann aber immer nördlicher: steppenähnlich mit Büschen und niedrigen Bäumen. Viel Nadelholz. Bei der Ausfahrt nach Trakai fahre ich an einem keltischen Stein vorbei. Leider kenne ich seine Bedeutung nicht. Bei der berühmDSC01497ten Wasserburg kann ich nur schnell verboten parkieren, aussteigen und ein paar Fotos schiessen. Parkplätze für Camper sind hier leider keine zu finden. Diesbezüglich habe ich dafür in Vilnius Glück. Direkt bei der Altstadt ein gratis Parkplatz - allerdings unbewacht. Mir ist dabei etwas mulmig zumute, da Vilnius bekannt für seine diebischen Strolche ist. Ich will sowieso nicht in Vilnius bleiben, sondern nur die Altstadt per Bike durchfahren. Als erstes ziele ich an der Kathedrale und der lutheranischen Kirche vorbei zur Tourist-Information. Und schon stehen da Italiener und gestikulieren. Sie schauten das Innere der Kathedrale an und wie sie rauskamen war vom einen Fahrrad nur noch die durchschnittene Kette übrig. Die Touristenberaterin empfiehlt mir den Weg über das gotische Ensemble (St.Anna- und St.Bernardine-Kirche), die Literatu-Gasse mit der DSC01505Amber Museums-Galerie, den Rathausplatz und die Ausros Artu-Gasse zum Tor der Morgenröte (dem letzten noch erhaltenen Stadttor) sowie zurück über die Fussgängerzone mit ihrem italienischen Flair. Eine sehr gute Empfehlung. In der Fussgängerzone kann ich einem Kaffee (und dem Gang zur Toilette) nicht widerstehen. Danach aber blitzschnell zurück zum Camper. Ankommen, Türen sind nicht verschlossen, Herz fällt in die Hose. Glücklicherweise ist noch alles da - ich habe wohl vergessen, die Türen zu schliessen. Was mich nicht gerade zufrieden mit mir selber macht! Das Navi wird auf Nationalpark getrimmt. 50km lang geht alles gut. Plötzlich beginnt dann Piste - und was für eine. Eine Kiesstrecke, vom Wasser völlig ausgewaschen, wie ein Waschbrett. Schon bei 20kmh rüttelt und schüttelt es den Camper und mich durch und durch. 50km weiter so, das muss ich mir nicht antun! Nach 2km wende ich, aber was nun? Der nächste Campingplatz ist in Vilnius - da will ich nicht wieder hin. Der zweitnächste in Siauliai, also gut 250km weit weg. Aber auf meiner Strecke. Also los. Ich fahre quer durch Litauen auf einer Route, die ich ohne Missgeschick nie gewählt hätte. Mir gefällt sie - so eine Art Litauischer Jura. In Siauliai führt mich das Navi wieder an so eine Saustrecke und ich will schon umkehren, als ein Ambulanzfahrer meint: nein, nein, das sei schon richtig - ich solle nur ihm nachfahren. Er führt mich durch Löcher, Pfützen und Bodenwellen bis zum Campingplatz. Das ist Gastfreundschaft. Am Abend bedanke ich mich bei meinem Goggomobil: beide haben wir heute klaglos viel geleistet.

Donnerstag, 27.06.:  Nachdem das mit dem Aukstaitija-Nationalpark nicht geklappt hat, habe ich jetzt ja Zeit, die Kurische Nehrung zu besuchen. Mein deutscher Nachbar hat mir das gestern Abend besonders ans Herz gelegt. Übrigens auch ein Alleinreisender, in meinem Alter, 3 Monate unterwegs. Er kommt von Tallinn und geht nach Polen, ich uDSC01517mgekehrt. Gab einiges auszutauschen. Um dorthin zu kommen, muss ich erst mal nach Kleipeda, dem ehemalig ostpreussischen Memel fahren. Die Litauer nennen Klaipeda - ihre einzige Hafenstadt - “Das Tor zur Welt”. Der 10km lange Seehafen ist Motor ihresDSC01514 wirtschaftlichen Aufschwungs. In der kleinen, liebevoll restaurierten Altstadt mit den alten Speichern und Fachwerkhäusern ist wenig davon zu spüren. Hier weht eher noch der Charme der 700-jährigen gemeinsamen deutsch-litauischen Geschichte. Der äusserst schmale, langgezogene Landstrich der Kurischen Nehrung gehört zu den eigenwilligsten Küstenregionen der Ostsee. Die ganze Halbinsel von ihrer Spitze im Norden bis zur russischen Grenze ist Naturschutzgebiet und Nationalpark - und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Links und rechts von der schmalen Landstrasse bleibt nicht viel Land. Nach der Fährübersetzung von Kleipeda aus fahre ich 50km durch einen Märchenwald bis nach Nida - dem Insel-Hauptort - und finde im dortigen Camping noch ein freies Plätzchen.

Freitag, 28.06.:  Über Nacht ist es kühl und bedeckt geworden. Ich ziehe mich warm an und düse mit dem Bike los nach Nida und ein bisschen in der Neringa herum. Mir fallen hier die Häuser auf: etwas zwischen Reethäusern und nordischen Spitzdach-Häusern. Die Nehrung ist eigentlich eine riesige verlandete Sanddüne. Auf der Meerseite sandig, auf der landzugewandten Seite mit angelagerten Steinen. Darauf die typischen Pflanzen der sog. braunen Düne. Nach gut einer Stunde beginnt es zu nieseln und ich entscheide mich weiterzufahren. Bin auch nicht besonders glücklich mit dem Campingplatz. Hat viele junge Russen aus der an der Nehrung anschliessenden Exklave Kaliningrad hier. Die SaniDSC01525tär-Anlagen sind nicht gerade sauber und auch schlecht unterhalten. So geht es halt die Nehrung hoch, auf die Fähre und der Küste entlang nach Palanga. Da wo die Litauer Meerferien machen. Nach den vielen schönen Seebädern: naja! Dafür ist grad Wochenmarkt. Und zwaDSC01526r ein einheimischer: mit Früchten und Gemüse, Blumen, Kleidern. So kann ich mich mit Früchten fürs Wochenende eindecken. Und die zu Ende gehenden Cigarillos kann ich im Grossmarkt nebenan aufstocken. Mein nächstes Ziel ist der Berg der Kreuze, nördlich von Siauliai. Bereits auf der Strecke nach Riga. Ein eindrücklicher Wallfahrtsort. Mitten in unbewohnter Umgebung erhebt sich ein Hügel übersät mit Kreuzen. Seit der Zarenzeit - also seit 600 Jahren - stecken hier Pilger Kreuze in den Boden oder hinterlassen Jesusfiguren, manchmal auch kleine Botschaften in Behältnissen. Niemand kann mehr zählen, wie viele christliche Symbole hier angebracht sind. Jetzt wirds schwierig. Die Wahl: zurück nach Siauliai und dort im Camping übernachten oder weiter zum Schloss Rundale - bereits auf lettischem Gebiet. Wer mich kennt weiss, dass ich lieber vorwärts schaue. Also auf gut Glück Richtung Lettland - Campingplatz ist in jener Region nämlich keiner auf der Karte. Es ist schon spät und Rundale hat nicht mehr geöffnet. Aber der erste Eindruck im Vorbeifahren begeistert. Ein verkleinertes Versailles mitten im Nichts. Das muss ich morgen unbedingt näher betrachten. Campingplatz hat es tatsächlich keinen, dafür ein Hotel direkt neben dem Bancomaten in Bauska, wo ich meine lettischen Latis ziehe. Na denn: es regnet sowieso!

Samstag, 29.06.:  Die 45 Franken fürs Hotel haben sich gelohnt: sauber und trocken DSC01548schlafen, nach Herzenslust duschen und einDSC01544 grosszügiges Frühstücksbuffet. Vermeintlich bin ich früh aufgestanden, muss aber feststellen, dass hier die Uhren 1 Stunde vorgehen. Dennoch bleibt genügend Zeit, um kurz durch das kleine Bauska zu schlendern und die östlich angehauchte Kirche zu fotografieren. Schliesslich öffnet Rundale erst um 10 Uhr. Dann aber los. Im Schloss angekommen stelle ich fest, dass DSC01556- oh Schreck, oh Graus - schon gegen 20 Busse mit Gruppen bereit stehen. Wegen dem Gruppenstau und weil das WetteDSC01567r immer noch unsicher (wenn auch im Moment trocken) ist, besichtige ich zuerst den Französischen Garten. Die fantasievolle Anlage verrät schon, wieso Rundale “Versailles der Ostsee” genannt wird. Das originalgetreu restaurierte und renovierte Äussere und Innere dieses Barockschlosses bestätigen den Eindruck. DSC01564Kein Wunder, dient dieses Schloss u.a. für Staatsempfänge. Es ist wirklich ein Bijou. Nach RundaleDSC01568 ist bereits früher Nachmittag und ich nehme die nicht ganz 100km nach Riga unter die Räder. Mein Navi führt mich zielgenau zum ABC-Stadtcamping. Dieser kleine Campingplatz verfügt nur über etwa 10 Plätze. Heute bin ich ganz allein. Was ich dazu nutze, meinen Camper wieder einmal auf Vordermann zu bringen. Zur Belohnung lächelt am Abend kurz die Sonne.

Sonntag, 30.06.:  Nach den letzten beiden Tagen bin ich Lettland gegenüber ein wenig DSC01580zwiespältig. Sicher, Rundale ist schön und Riga auch. Die Letten selber sind das Problem. In Litauen sind die Jungen am Ruder und die wollen vorwärts kommen, indem sie das Land vorwärts bringen. Sie DSC01585sind kundenorientiert und kreativ. Ok, wenn sie das Angebot schon hoch halten, möchten sie auch, dass es gekauft wird. Was nicht so schwer fällt, denn die Preise sind moderat. Ganz anders in Lettland: hier herrscht noch das alte sozialistische Format. Das Angebot ist moderat, dafür die Preise hoch. Und niemand macht mehr, als er muss. “Vogel friss oder stirb!” heisst die Devise. So ist die Infrastruktur mager. Das gilt für Strassen, Velowege, Campingplätze, ÖV. Auch das DSC01589Essen ist im besten Fall mittelprächtig. Die Kosten liegen aber fast so hoch wie in der Schweiz. Naja. Hierhin komme ich wohl kaum ein zweites Mal. Heute mache DSC01592ich eine 7-stündige Stadtrundfahrt in Riga. Per Bike. Wovon je 7km vom Camping hin und zurück - gleich 40 Minuten. Die Brücke über die Daugava führt mich direkt zum Rigaer Schloss. Von da pedale ich gemütlich zur Kathedrale und an den “Drei Brüdern” (die drei ältesten DSC01593Wohnhäuser aus Stein in Riga) vorbei über das Schwedische Tor (einziges erhaltenes Stadttor) zum Pulverturm.  Alles liegt hier nahe beieinander. Am Haus der Katze vorbei geht es weiter zur Freiheitsstatue. Sie hält 3 DSC01594goldene Sterne hoch, was die 3 lettischen Provinzen symbolisiert. Den Sowjets war das Wahrzeichen mit der Aufschrift “Für Freiheit und Vaterland” ein Dorn im Auge - doch sie wagten nicht es DSC01597anzurühren. Etwas weiter weg liegt dann das Jugendstil-Quartier. Auf dem Weg dahin fahre ich an der Christlich-Orthodoxen Kathedrale und dem Lettischen Nationalen Kunstmuseum vorbei. Letzteres ist leider wegen Umbau geschlossen. Der Jugendstil beschränkt sich mehrheitlich auf 2 Strassen und ein Museum - dort sind aber herrliche Wohnhäuser und DSC01596ganze Ensembles russischer und lettischer Architekten zu finden, wie sie in dieser Anzahl sonst nur noch in Wien zu sehen sind. Nach DSC01604einem Mittagessen an der Sonne (tut gut) radle ich zurück in die Altstadt zur Petrikirche, wo ich mich mit dem Fahrstuhl auf die Aussichtsterrasse bringen lasse. Riga von oben hat seinen besonderen Reiz. Dann leiste ich mir noch einen Espresso macchiato (der Kaffee ist hier besser als in Litauen) und schliesse die Rundtour mit dem Stadthausplatz und dem gotischen Prachtsbau des Schwarzhäupterhauses ab.

Montag, 01.07.:  Die ganze Nacht hat es immer wieder geregnet, aber pünktlich um 8 Uhr scheint die Sonne. Gut fürs Einräumen. Heute will ich eine Zusatzschlaufe über Jürmala, Ventspils und Liepaja machen - also in den “Wilden Westen” von Lettland. Der nur 20km entfernte Kur- und Badeort Jürmala gilt als Badewanne Rigas. Der 30km lange weisse Strand, die Flaniermeile und das flache Wasser locken die Leute in Massen. Auf der Strecke nach Ventspils fahre ich u.a. an Slampe, Sparen und Püré vorbei. Ventspils im Nord-DSC01605Westen birgt den wichtigsten Hafen Lettlands. Mir fallen schon bei der Einfahrt die vielen Blumen auf, die sich durch die ganze - zwar nur kleine - Altstadt weiterziehen. Im Zentrum locken hinter schick renovierten Fassaden gemütliche Cafés und Restaurants. Liepaja - drittgrösste Stadt Lettlands - war als sowjetische Marinebasis 45 Jahre lang ohne Passierschein tabu. Heute soll es sich zu einem kreativen Ort gemausert haben. Nach gut 300km Fahrt richte ich mich aber zuerst mal im Camping Verbelnieki ein, um dann morgen genaueres zu erfahren. Dieser Patz ist sehr schön an einem Bach mit 2 Weihern gelegen. Da werde ich wohl einen Ruhetag einschalten.

Dienstag, 02.07.:  Wetter bedeckt, kühl, windig. Ich entscheide mich, am Platz zu bleiben und Administratives zu erledigen. Wird es schöner, kann ich immer noch in die Stadt fahren. Wenn nicht, schaue ich mir morgen die Stadt im Vorbeifahren an. Zuerst eine Schreckens-Nachricht von meiner Bank: die Maestro-Karte wurde sicherheitshalber gesperrt, weil am Bancomat in Bauska Skimming betrieben wurde. Auf meiner Abrechnung ist zwar nichts Verdächtiges zu finden. Sicher ist aber sicher. Gaby wird mir die neue Karte nach Helsinki bringen. Bis dann muss ich mit der Kredtitkarte funktionieren. Nachdem das DSC01607Wichtigste erledigt ist und ich etwas gegessen habe, kommt die Sonne hervor. Sofort aufs Bike und los. Der Oberguru hier meinte “No problem - maybe 4km - easy”! Denkste: bis zur Stadtgrenze sind es etwa 5,5km, da bist du aber noch lange nicht im Zentrum. Liepaja ist immerhin etwa so gross wie Winterthur. Die Altstadt wirkt eher trist - die Russen haben sie ziemlich heruntergewirtschaftet. Zumindest äusserlich denkt man hier nicht gerade an Kreativität. Auch im alten Kriegshafen Karosta nicht, wo eine abgefahrene Künstlerszene am wachsen ist. Einzig der Walk of Fame, wo die berühmten lettischen SängerInnen verewigt sind, erinnert an die agile Kunstszene mit ihren legendären Theater-Inszenierungen und Rockfestivals. Schade - auch hier bei meinem Auftritt kulturell nichts los. So besuche ich noch die Kathedrale und den 6 Tage in der Woche geöffneten grossen Markt mit der alten Markthalle. Und kaufe ein paar Kirschen und kandierten Ingwer.

Mittwoch, 03.07.:  Heute bin ich spät dran. Blöd, denn ich will eine ganze Strecke fahren. Vom Süd-Westen in den Nord-Osten. Nach Sigulda. Immerhin gut 300km. Und es ist früh schon heiss und schwül. Nach Wetterbericht ist mit 30 Grad zu rechnen. Trotzdem trinke ich in Ruhe meinen Frühstückstee. Dann gebe ich aber Gas. Wie ich gerade die letzten Sachen zusammenpacken will, ruft mich Gaby per Skype an. Immerhin: um halb 12 bin ich en route. Und wieder fällt mir auf, dass der Westen Lettlands wunderschöne Landschaften hat. Grosszügig, leicht gewellt, grosse, gut unterhaltene Wälder, Heiden und Wasser-Landschaften (kleine Seen und Flüsschen). Trotz Klimaanlage wird die Fahrt bei dieser Hitze mühsamDSC01634 und ich bin froh, wie ich in Sigulda bei der Tourist-Info stehe. Hier scheint wirklich viel los zu sein. Das Urstromtal der Gauja, der Gaujas-Nationalpark, die Gutmanns-Höhle, mehrere Schlösser und das grösste Museum Lettlands (auch in einem Schloss). Der Camping Siguldas pludmale liegt wunderschön direkt an der Gauja, mit eigenem Sandstrand und eigenem Kanu-Angebot. Zu jedem Platz gehört ein Holztisch mit Bänken - fast wie in USA. Da bleibe ich 3 Tage: die Bike-Touren für morgen und übermorgen habe ich schon zusammengestellt. Eine Kajakfahrt muss ich mir noch überlegen.

Donnerstag, 04.07.:  Heute habe ich Grosses vor: “Velo Marsruts Nr. 1 +”. Eine gut 20km lange Route durch den Gaujas Nationalpark. Wobei das Plus ein Abstecher zum Turaida DSC01615Museums Reserve und nach Sigulda zum Einkauf ist. Der Trip führt mich zuerst der Gauja entlang bis zum Teufelscliff mit Teufelsloch. Bald wird klar, dass Marsruts 1 ein Mountain Bike Trail ist. Nicht für simple Fahrradfahrer wie mich. Da gehts im Wald über Stock und Stein, steil bergab und bergauf und über schmale Holzbrücklein. Ein Höllenritt. Und wegen der vielen Wurzeln ziemlich gefährlich. Auch weiter nach Krimulda mit Krimulda Manor (Prinz Livens ehemaliges “Wohnhaus” - heute Reha-Zentrum) und den Ruinen vom kleinsten Riga Capitulum Schloss - erbaut im 13.Jhdt. und DSC01627abgebrannt um 1600 - bringt mich der Trail an meine Grenzen. Also von da aus über die Strasse weiter - direkt zum Museum in Turaida. Dieses ist in einer alten Burg-Anlage aus dem 13.Jhdt. beheimatet und zeigt diverse Ausstellungen über lettische Geschichte, Leben, Kultur und Kunst der letzten 1000 Jahre. Dazu gehören auch ein kleines “Ballenberg” und der Dainu-Hügel, der “Lieder-Berg”. Wo der Bildhauer Indulis Ranka 25 Skulpturen zum Volksliedergut des Landes aufgestellt hat. Die Gutmanns-Höhle ist eine Enttäuschung. Im Verhältnis zu andern Höhlen einfach ein kleines Loch. In Sigulda schaue ich mir noch die Konzerthalle “Baltais Fligelis” an - mit Architektur, die einem weissen überdimensionierten Piano gleicht. Leider hat das darin beheimatete Konservatorium Ferien, sodass man das Innere nicht beschauen kann und auch keine Konzerte stattfinden. Zum Abschluss gibts am Abend noch ein Bad in der mässig warmen Gauja. Bei dieser Hitze tut aber Abkühlung gut.

DSC01636Freitag, 05.07.:  Die heutige Bike-Tour ist einfacher als die gestern, auch wenn es auf den Paradise Hill - satte 90müM - über einen wurzligen Waldweg geht. Aber der Ausblick über das Gauja-Tal und auf die Burg von Turaida lohnt sich. An der Petri-Höhle - die wieder den Namen Höhle kaum verdient - vorbei geht es dann zum Sigulda Schloss-Komplex: alte SchlossDSC01643-Ruine (erbaut 1207) und neues Schloss aus dem 19.Jhdt.. Von dessen Aussenterrasse hat man ebenfalls eine herrliche Sicht aufs Gauja-Tal. Und auch wenn die lokale Verwaltung das Schloss als Büro benutzt, darf ich kurz einen Blick ins Treppenhaus werfen. Mit Glasfenstern, die die 4 Jahreszeiten symbolisieren. Auf dem Rückweg zum Campingplatz fällt mir noch ein DSC01655originelles Schachspiel auf. Um 11 Uhr bin ich bereits wieder beim Camper und entscheide, 30-40km weiter in die Gegend von Cesis zu fahren - ebenfalls eine Stadt, die sich anzusehen lohnen soll. Wie ich in Cesis ankomme merke ich, dass ich am anvisierten Campingplatz vorbeigefahren bin. DSC01661Wie meist hier in Lettland ist die Zufahrt schlecht beschildert. Das stellt sich aber als Glück heraus. Denn Cesis gibt ausser dem Schloss-Komplex nicht besonders viel her. Klar hat das Städtchen Ringgassen und Kaufmannshäuser aus dem 15.Jhdt., aber viele davon in schlechtem Zustand. DSC01658Ähnliches gilt für die Kirche. Mächtig erheben sich aber mitten in der Stadt die Ruinen der Burg des deutschen Ritterordens aus dem 13.Jhdt.. Trotz Zerstörung durch die Truppen Iwans des Schrecklichen ist sie immer noch eine der besterhaltenen Ordensburgen des Baltikums. Für die Besteigung des Turmes bekomme ich eine Kerzen-Laterne, weil die Stiege manchmal im Dunkeln liegt. Nicht jedermanns Sache. DSC01653Vor allem bei so glitschigen und unregelmässigen Sandstein-Stufen. Direkt neben der Burgruine wurde 1778 ein neues Schloss gebaut. Dort ist heute das StadtmuseumDSC01664 untergebracht. Was für den Weg hierher belohnt. Den absoluten Hit des Tages lande ich aber im Camping Baili in Valmiera. Mitten in einem schönen Föhrenwald gelegen und - man staune - für jeden einzelnen Platz ein eigener Tisch mit Bänken und ein eigenes Häuschen mit Dusche/WC/Waschbecken. Wow! Und das in Lettland. Dafür Internet nur im Café und kein Fernsehen.

Samstag, 06.07.:  Also das mit der eigenen Dusche ist so eine Sache: baltisches Fabrikat DSC01666- gleich etwas lottrig - und ein Durchlauferhitzer, der gerne von siedend heiss auf kalt schaltet. Trotzdem: Gefühl von Luxus. Der Platz ist auch sonst speziell: ein Sportplatz - eigentlich für Skispringer errichtet - heute genutzt als Sportcamp für Kanuten. Die Sprungschanzen stehen aber noch da, ebenso die aufgebockten Schneemaschinen und Ratracs. Die anwesenden Jugend-Feriengruppen haben schon um 5 Uhr Tagwache und machen sich laut bemerkbar. Und um halb 6 Uhr fährt auf der nahen Strecke die erste Eisenbahn vorbei. Heisst früh aufstehen auch für mich. Ich gedenke nach dem Frühstück Richtung Estland weiter zu fahren. Dieser Grenzübertritt ist absolut spannend für mich: ein paar Meter weiter wirkt das Land plötzlich weiter, grosszügiger, offener, lieblicher. Eigenartig. Auch die Strassenverhältnisse sind deutlich besser - mein WoMo dankt. Estland verfügt leider über verhältnismässig wenig Campingplätze. Damit ich keine allzu langen Strecken fahren muss, ziele ich den Platz beim Waide-Motel in Elsa an. Auch hier eine positive Überraschung: im Gegensatz zu den bisherigen baltischen Plätzen bietet dieser Platz Geschirr-Waschmöglichkeit, Waschmaschine sowie Camper-Entsorgung (Grauwasser, chemische Toilette) und -Versorgung (Frischwasser) an. Ich mache sofort 2 Wäschen und werde morgen Ent- und Versorgung nutzen. Nach zwei Krimis stelle ich um Mitternacht fest, dass ich deutlich näher am Polarkreis sein muss: Der Himmel wird hier nachts nie richtig dunkel (siehe Foto).

Sonntag, 07.07.:  Der Zürcher, der sich gestern Abend in die Nähe von mir gestellt hat, stellt sich als Urs Peter, ein Arbeitskollege aus den 80er-Jahren, heraus. Was zu einem gemütlichen Schwatz führt. Er will mit seiner Frau Edith ans Nordcap. Mir bleibt für Estland etwas mehr Zeit als ursprünglich vorgesehen. Daher stelle ich meine Planung total um. Statt erst den Nordosten anzuschauen, mache ich eine Kehre über den Westen: Pärnu und die Insel Saaremaa. Wenn das Wetter mitspielt kann ich so vielleicht noch 2-3 Tage Dolce-far-niente, resp. Badeferien einfügen. DSC01678Erst aber nach Tartu, der Universitätsstadt, wo jeder 5. Einwohner Student ist. Parkieren kann ich mitten im Zentrum bei der Markthalle - ursprünglich Schlachthaus undDSC01681 Fleischhalle, deshalb auch das Schwein als Symbol. Diese ist übrigens heute Sonntag geöffnet. Was für mich frische Kirschen heisst. Wie erwartet ist Tartu eine grüne Stadt, in der aber wenig an die alten Hanse-Zeiten erinnert. Nach einer Steppvisite der Altstadt bleibt die Erkenntnis: Rathaus und sein Brunnen wie Platz sind sehenswert, der Rest weniger. Auf dem Rathaus-Platz lasse ich mich in einem französischen Restaurant verwöhnen: Beefsteak Tatar (coupé à la main) mit Bier und Crème Brulée mit Espresso. Alles fein. Überhaupt: Estland ist eindeutig im Baltikum am weitesten entwickelt. Logischerweise dafür auch am teuersten. DSC01686Dann breche ich nach Pärnu auf - einer ganz speziellen Stadt in Eesti. Nicht nur dass sie als Badewanne von Tallinn gilt, im Sommer ist sie die offizielle Hauptstadt. Immer Mitte Juni bekommt der Bürgermeister von Pärnu einen symbolischen Schlüssel von seinem Tallinner Amtskollegen - und Ende August wird in einem rauschenden Ballfest, wo sich die ganze Prominenz einfindet, das Ende der “Regentschaft” gefeiert. Am Abend DSC01691fahre ich mit dem Bike noch durch das Rüütli: die Einkaufs-, Flanier- und Fressmeile von Pärnu. Spät um 23 Uhr eine schöne Stimmung über dem Pärnu River.

Montag, 08.07.:  Relativ früh bike ich zum Strand. Der ist DSC01693wirklich schön, aber erinnert an Rimini: Liegestuhl an Liegestuhl, Füdli an Füdli. Der Kursaal von 1880 ist gerade in Restauration. Durch die grosse Parkanlage radle ich noch zum modernen Yacht-Hafen, und dann an der orthodoxen Kirche vorbei zum Camping zurück. Ich will weiter. Mir hat es hier zu viele Leute und der Strand ist über einen Kilometer weit vom Campingplatz weg. Über Virtsu solls nach Saaremaa gehen. Der Süden dieser Insel bietet 3 Campingplätze. Einer wird wohl noch ein gutes Plätzchen für mich frei haben. In Virtsu schaffe ich es gerade auf die bereit stehende Fähre. Und im Mändjala Kämping finde ich problemlos eine Stellmöglichkeit. Der Platz erinnert mich anDSC01698 den Zeltplatz in der Maremma, wo ich meine ersten Campingferien verbracht habe: wie dort liegt er in einem naturbelassenen Kiefernwald, mit Unterholz, das die Plätze voneinander trennt, direkt hinter einem relativ menschenarmen breiten und flachen Sandstrand, wo man weit ins Meer hinaus laufen kann. An den Bäumen dahinter Hängematten, die zum Seele baumeln einladen - und mit einer Strandbar, die für das körperliche Wohl sorgt. Fehlt nur noch, dass diese Bombolone anbietet. Hier halte ich es sicher ein paar Tage aus.DSC01700

Dienstag, 09.07.:  Hier werde ich wieder zu einem Nachtmenschen, wie ich ihn früher einmal war. Nachts um 23 Uhr kann man ja noch ohne Licht lesen. Und weils in der Nacht relativ kühl und absolut still ist, schlafe ich wie ein Murmeltier. Heute bis halb 9 Uhr. In Ruhe aufstehen, Tee trinken, Sudoku machen - mein Morgenritual. Danach Bettwäsche waschen. Nach dem Mittagessen will ich versuchen, mit dem Bike nach Kuressaare zu kommen. Ob es gelingt ist wegen der schlechten Wege nicht sicher. Es gelingt. Allerdings rumpelsurig, zumindest teilweise geht es über Schotterwege. Wahrzeichen der DSC01705beschaulichen Insel-Hauptstadt Kuressaare ist die würfelförmige Bischofsburg aus dem 14.Jhdt.. Direkt daneben der Kursaal. Wo ich eine hiesige Spezialität esse, deren Namen für mich viel zu kompliziert ist: gemacht aus zerbröselten Schokoladen-Keksen, über die vanillierter Quark und Mus aus Moosbeeren gegeben wird. Fein. Zurück in Mändjala montiere ich die Badehose und wandere ins Meer. Im wahrsten Sinne des Wortes: nach ca. 1km geht mir das Wasser immer noch kaum zu den Knien. Ab da beginnte es tiefer - und sofort auch kälter - zu werden. Die Pfütze am Ufer ist sicher gute 25 Grad, das Wasser draussen dagegen eher 16. Das reizt nicht gerade für einen langen Schwumm. Also noch ein bisschen sünnele.

Mittwoch, 10.07.:  Heute ist kein Badehosen-Wetter. Bedeckt und kühl. Dafür weder Regen noch Wind. Also Internet, Lesen, Sudoku, TV. Und Vorbereiten der Weiterreise. Am Nachmittag gemäss Tipp der Nachbarn noch per Bike zu den Windmühlen in der Nähe, mit denen hier Korn gemahlen wird - und am Abend doch ganz kurz ins Wasser.

Donnerstag, 11.07.:  Der Morgen geht mit Aufregung los. Nach Einräumen und Putzen will ich von den Keilen fahren. Dabei fällt mir auf, dass ich mit meinem Schlüssel per Fernbedienung die Zentralverriegelung nicht öffnen kann. Kein Problem - kann man ja auch mit dem Schlüssel selber. Der grosse Schreck kommt erst, wie ich die Zündung drehe: leeres Orgeln. Der Nachbar kommt gerannt und ruft: Nicht weiterdrehen, sie leeren nur die Batterie, der Motor bekommt kein Benzin! Offensichtlich versteht er was von Autos. Nachdem er alles angeschaut hat (Armaturenbrett mit den aufleuchtenden Zeichen und Motor), meint er trocken: das Problem liegt beim Schlüssel, vermutlich Schlüssel-Batterie leer, dadurch bleibt die elektronische Wegfahrsperre blockiert. Siedend heiss fällt mir ein, ich war mit dem Schlüssel baden - und mein Garagist hat mir einmal eindringlich gesagt, dass ich dies ja nie tun solle! Also Schlüssel öffnen. Und siehe da: alles nass und korrodiert. Mario, was nun? Ein anderer Nachbar hilft mir aus. Er leiht mir den Föhn seiner Frau. Mühsames putzen - mit Haushalt-Papier und Wattestäbchen - und trocknen. Weiterer Versuch: wieder nichts. Batterie vermutlich hin. Er puhlt seine Schlüssel-Batterie heraus (nicht ganz genau die gleiche) und gibt sie mir zum testen: jetzt geht zumindest die Zentralverriegelung wieder. Zündung immer noch Sense. Naja - so weiss ich wenigstens DSC01711weiter: neue passende Batterie kaufen. Ich versuche den Ersatzschlüssel und der Motor springt an, wie wenn nichts gewesen wäre. Grosse Erleichterung. Um 12 Uhr komme ich los. Heute will ich nach Haapsalu: nicht weil da viel zu sehen wäre, sondern weil dies die Strecke nach Lahemaa halbiert (gut 400km) und da ein Campingplatz ist. Und dieser ist am Rande des Städtchens sehr schön im Grünen gelegen. Da ich relativ früh da bin, bike ich wenigstens zu den wenigen “Sehenswürdigkeiten”: zur Promenade, der Ruine des Bischofspalastes (von dem nur noch die Domkirche und ein paar Mauern stehen) und zum alten Bahnhof (der heute als Bahnmuseum dient). Dann geniesse ich im Campingplatz einfach noch die Sonne, die heute bei sehr angenehmen Temperaturen scheint.

Freitag, 12.07.:  Eine Aufregung kommt selten allein. Nach dem Einräumen fahre ich Richtung Lahemaa los. Der Tank ist noch 1/4 voll, sollte also noch für gut 200km reichen. Ich muss am Knotenpunkt Tallinn vorbei - da wird es sicher irgendwo eine Tankstelle geben. Fehl-Annahme: für alle angegebenen Tankstellen müsste ich einen Umweg fahren. So gehts halt weiter nach Nord-Osten. Nur - es kommt und kommt keine Tankstelle. Langsam wird mir “gschmuch”. Plötzlich die Ansage des Bordcomputers: Ihr Tank ist fast leer. Ich stoppe auf der Ausstellspur und fülle den Reservekanister ein. Aber immer noch keine Tankstelle. Wie ich bei der vom Navi angegebenen Ausfahrt abfahre, sehe ich 400m weiter vorne auf der Autobahn eine Tankstelle. In meiner Not stoppe ich kurzerhand und fahre die Ausfahrt rückwärts wieder hoch. Nach dem Einfüllen das Problem: wie zurück? Wieso nicht ein zweites Mal, nachdem es vorher so gut geklappt hat? Rückwärts auf dem Seitenstreifen bis zur Ausfahrt und nichts wie weg. Glück - und wenig VerkehrDSC01712 - gehabt! Im familiären Campingplatz Lepispea in Vösu - mit Internet am Platz, Küche, Grillplatz, Sauna und direktem Meerzugang - richte ich mich ein und gehe zur ersten Strandbesichtigung. Nach dem Beschrieb habe ich eine felsige und steinige Steilküste erwartet, aber - oh Überraschung - ich treffe in der wunderschönen Landschaft eine sandige und flache Küste an. Nach dem baden sünnele. Um 7 schaue ich am TV einen Krimi. Gemütliches Einnisten mit etwas Kleinem zu essen und einer Cola. Die neue 2l-Flasche stelle ich auf den Tisch und drehe mich kurz um - und schon ist der ganze Sitzplatz mit Cola geduscht. Das hätte man fotografieren sollen: ein rasender Mario mit 2 Bodenlappen und einem Haufen Haushalt-Papier. Nach dem Krimi Bodenlappen auswaschen und Fleckenspray sprühen. Morgen wird hoffentlich ein gutes Ergebnis zu sehen sein.

Samstag, 13.07.:  Mein Flecken-Shampoo ist super - alle Colaflecken sind weg! Und der Zündungs-Schlüssel tut auch wieder - habe die richtige Batterie gefunden und eingesetzt. Der Lahemaa-Nationalpark besteht aus einer Reihe fingerartigen Landzungen ins Meer hinaus mit den dazwischen liegenden Buchten und einer wild-romantischen Landschaft im DSC01724Hinterland. Der Campingplatz liegt in einer der Buchten. Mit dem Bike besuche ich den östlichen und westlichen “Finger”. Worauf die beiden Ortschaften Vösu und Käsmu liegen. Verträumte Dörfer, von der Welt ziemlich abgeschieden. Die Post besteht aus ein paar Postfächern und einem Briefkasten. Der Bus kommt alle 2 Stunden. In Vösu hat es wenigstens noch einen Lebensmittel-Laden. Im Sommer mit schönen Residenzen direkt am Meer (wobei die Holzhaus-Bauweise in Lärchenwäldern an Kanada erinnert), im Winter sicher sehr trist. Vor allem auch, weil dann hier ja lange Nächte herrschen. Meinen Zmittag esse ich in Käsmu in einem Restaurant mit Terrasse aufs Meer. Am Nachmittag wieder sünnele und baden.

Sonntag, 14.07.:  Die Fahrt nach Narva führt anfänglich durch den rückwärtigen Teil des Lahemaa. Nebst hohen Föhrenwäldern ist die Landschaft durch eine Art Steppe/Heide geprägt: Stauden, niedrige und kugelige Büsche und Bäume.DSC01732 Narva ist geschichtsträchtig: wie zwei grimmige Wächter stehen sich über den Fluss Narva die mittelalterlichen Festungen *Hermannsfeste” (estnische Seite) und “Iwangorod” (russische Seite) gegenüber. Seit jeher markieren sie symbolhaft die Kultur- und Wirtschaftsgrenze zwischen West und Ost. Der Rest vom alten Narva wurde grössenteils im 2. Weltkrieg in heftigen Kämpfen zerstört. Narva ist heute zwar estnisch, aber die rund 70’000 Einwohner bestehen zu 90% aus Russen. Die in Estland nicht gerade beliebt sind, was man der Stadt auch anmerkt. An allen Ecken und EndenDSC01733 ist sie vernachlässigt. Schlechte Strassen, schlechte Versorgung, schlechtes Essen. Und überall eine lausige Bedienung. Also wenig Gastfreundschaft. Dafür habe ich Glück: ich komme gerade an einem russischen Volksfest vorbei. Ansonsten ärgert es mich schon ein wenig, dass St. Petersburg von hier nur gerade 134km weit weg ist. Und von dort nach Helsinki wären es vielleicht nochmals gute 200km. Aber man hat mir eindringlich abgeraten, als Einzelmaske mit einem Camper nach Russland zu fahren. Daher nichts wie wieder weg und zurück Richtung Tallinn. Nach rund 40km finde ich im Campingplatz Spa Hotel in Toila ein reizendes Plätzchen. Aber ausser dem Park mit ein paar schönen Details gibt es hier wenig zu beschauen.

Montag, 15.07.:  Tallinn - ich bin da! Am 15. wie vorgesehen. Alle Grüsse habe ich überbracht. Das Schlussbouquet des Feuerwerks meines zweiten Reiseteils kann beginnen: Tallinn, St. Petersburg, Helsinki. Auf der Herreise hat mich das Navi über eine Küstenstrasse geführt und ich konnte die herrliche Natur des estnischen Nordens noch einmal richtig geniessen. Als erstes richte ich mich auf dem City Camping häuslich ein. Und esse einen späten Zmittag. Dann das erste Erfolgserlebnis: ich kann meinen Camper DSC01768in der Zeit, wo ich in St. Petersburg und Helsinki bin, hier stehen lassen. Der Preis wird morgen noch definitiv fixiert - etwa 10 Euro die Nacht. Super. Nachmittags um 3 Uhr breche ich zu einer Spritztour in die Stadt auf. Vorbei an der Russalka - ein Monument zum Gedenken DSC01735an ein versunkenes Kriegsschiff - stosse ich zuerst auf die hypermoderne City. Tallinn hat ja zwei Seiten und auf beide sind die Tallinner stolz: die historische Alt- wie die überraschend moderne Neustadt. Letztere kann mit den Weltstädten durchausDSC01743 mithalten - vom Outfit wie vom Angebot her. Allerdings auch bei den Preisen. Dann verpasse ich den richtigen DrehDSC01744 - und wo lande ich wieder einmal? Auf dem städtischen Grossmarkt. Also wieder Kirschen. Mit freundlicher Beihilfe finde ich dann doch noch zur Altstadt. Es ist doch schon später geworden. Daher beschränke ich mich auf den Stadthausplatz und seine nähere Umgebung. Durch das Viru-Tor schlendere ich am Stadthaus und der Stadthaus-Apotheke vorbei zur Heiliggeist-Kirche, zum Kalev Marzipan-Room (Kunst aus Marzipan, mhm)DSC01747, zu den verschiedenen Handwerks-, Kaufmanns- und Gilden-Häusern. Es ist wie ein Gang durch ein Freilichtmuseum historischer BaukunstDSC01751: 700 Jahre zusammengewürfelte Architektur-Geschichte! Kein Wunder hat die UNESCO Tallinns Altstadt komplett zum Weltkulturerbe erhoben. Beim Rückweg passiere ich die Orthodoxe Kirche, des Meisters Hinterhof (buntes Gemisch aus Handwerks-Läden und Kaffees) und ein Kleintheater. Auf kleinstem Raum eine Riesen-Vielfalt, tausend bunte Bilder und Eindrücke. Vor allem, wenn man auch noch dieDSC01765 unzähligen Details beachtet. Für heute ist genug. Es soll ja auch nochDSC01759 etwas für die nächsten Tage bleiben.

Dienstag, 16.07.:  Kurliges Wetter heute morgen: wie ich um halb 6 zum Fenster heraus schaue, scheint die Sonne, um halb 7 regnet es und um 8 wieder Sonne. Naja, wenns so bleibt? Heute will ich wieder in die Altstadt. Vom “Fat Margaret’s Cannon Tower” der Stadtmauer mit den verschiedenen Türmen entlang zum Domberg. Der Domberg ist das Wahrzeichen der Stadt und gilt als ursprünglicher Stadtkern. Um die alte Ordensburg und die Domkirche herum wohnten früher der Adel und der Klerus und schauten sozusagen herab auf die hanseatischen Kaufleute und Handwerker in der Unter-Stadt.DSC01778 Im Vorbeiweg will ich das Puppenmuseum ansehen. Weiteres je nach Zeit. Die “Fette Margarethe” steht neben dem im Mittelalter wichtigsten Tor von Tallinn: dem Hafen-Tor. Und wurde im Auftrag der dänischen Königin Margarethe 1511-30 zur Verteidigung gegen Seeangriffe mit 4,5m dicken Mauern gebaut. Tallinn galt im Mittelalter wegen seiner ganzen Stadtbefestigung - heute noch zu 70% erhalten - als eine der bestgesicherten Städte des Nordens. DSC01782Am Domberg hätte ich so langsam Lust auf einen Kaffee. Aber das Baltikum ist definitiv nichts für earlybirds - vor 10 Uhr ist auch hier nichts zu wollen. Und um 10 ist noch nicht wirklich geöffnet, zuerst muss ja noch gereinigt und aufgetischt werden. Und stehst du dabei im Weg, wirst du scheel angeschaut.DSC01777 Naja. Dann halt doch erst die Domkirche, die russisch-orthodoxe Kathedrale, die Alte Burg mit dem Langen Hermann - dem Turm, der hoch über Tallinn ragt und die herrlichen Aussichtspunkte über die Unter-Stadt. Man merkt an den Gittertoren mit Schliessanlagen bald einmal, dass auch heute noch die obere Klasse hier auf dem Domberg wohnt. Nach (gutem) Kaffee, Punschkugel und Cigarillo fahre ich beim Puppenmuseum vorbei, das um 11 öffnet. Es stellt sich heraus, dass das eine Sammlung von Theaterpuppen ist, allerdings von Kindertheatern wie Kasperle oder z.B. Donald Duck.DSC01784 Das reizt mich nun doch nicht so. Vorbei am Dänischen Königsgarten, Maiden’s Tower (seinerzeit Gefängnis für Prostituierte) und “Kiek in deDSC01780 Kök” (Guck in die Küche - Wächter spotteten, dass sie von diesem Turm herab durch die Kamine der darunterliegenden Häuser direkt in deren Küche sehen konnten) holpere ich über das Kopfsteinpflaster zum Freiheits-Platz mit dem Monument zum Gedenken an den Unabhängigkeits-Krieg von 1918-20. Nicht weit davon weg ist die Estnische Nationaloper mit je einem Opern- und Konzertsaal. Und ebenfalls nicht weit habe ich dann zum Viru-Einkaufscenter, in dem ich mich definitiv überzeuge, dass hier das Angebot dem in Zürich nicht nachsteht.DSC01792 Was nun? Beim Weiterfahren sehe ich einen bereitstehenden Hop-on-hop-off-Bus. Kurzerhand frage ich, was ich denn mit meinem Bike machen müsste. Mitnehmen ist die Antwort. Nun denn man los! Spontan steige ich ein und buche die Zentrums-Stadtrundfahrt. DSC01790So sehe ich zusätzlich das Russische Kulturzentrum, die Sängerwiese mit dem preisgekrönten Konzert-Pavillon (wo alle 5 Jahre 200’000 Leute zum Volkslieder-Festival strömen und andere Festivals stattfinden - und wo Ende der 80er-Jahre das legendäre Lieder-Festival über die Bühne ging, das die Befreiung Estlands einläutete), die alte St. John’s-Kirche mitten in der modernen City und den Stadt-Hafen. Genial - weiss ich auch schon, wo ich mich dann am 1. August einfinden und anstellen muss. Auf dem Heimweg mache ich noch einen kleinen Einkauf. Viel muss es ja nicht mehr sein. Übrigens: es war ein Prachtstag!

Mittwoch, 17.07.:  Der Tag fängt gut anDSC01798: nachdem es die ganze Nacht heftig windete scheint die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel. Etwas kühler ist es geworden - so um die 20 Grad. Heute geht es gezielt zur Sache: DSC01799Tallinnk - der Stadthafen - und dort genau abklären, wann ich wo womit sein muss am 01.08.; von da direkt zu den “Drei Schwestern” (Gebäudegruppe aus dem frühen 15.Jhdt.) - das Gegenstück zu den Drei Brüdern von Riga; dann zur St. Olavs-Kirche und dort auf die Turm-Plattform. Von da oben hat man eine sensationelle Sicht auf die ganze Altstadt - v.a. den Toompea (Domhügel) und die Ringmauer. Zwischendurch schalte ich das Café von gestern einDSC01802: der Kaffee und die Punschkugeln sind da einfach einsame Spitze. Zur Verdauung besuche ich das “Energy Pillar” im Keller des Dominikaner-Klosters und den Abschluss bildet der Hellemann-Turm mit seinem 200m langen Mauergang. Heute haben zwei Kreuzfahrt-Schiffe angelegt und die Stadt ist geflutet von Menschengruppen. Italiener, Franzosen, Deutsche, Japaner. Ich mag das Gewühl nicht und flüchte. Erst in einen sonnigen Biergarten (Turi-Falle: sauteuer und als Ausgleich mieseste Bedienung) und dann “nach Hause” auf den Campingplatz. So kann ich mir heut Nachmittag mal Gedanken machen, was ich alles einpacken muss und will für St. Petersburg und Helsinki.

Donnerstag, 18.07.:  Ich hab mal meine Flugtickets genau angeschaut und feststellen müssen, dass nach den vielen Flugplanänderungen, die ich seit der Buchung bekommen habe, die Connection in Tallinn von St. Petersburg nach Helsinki nicht garantiert ist (zu knappe Umsteig-Zeit). Also doch noch zum Flughafen und alles genauestens klären. In der Zeit, seit ich von zuhause weg binDSC01817, ist schon die nächste Flugplanänderung gekommen. Sowohl die Vertretung der Estonian Airlines wie der Finnair sind der Ansicht, dass es schlauer wäreDSC01806, etwas zu ändern. Mit der Finnair könnte ich später fliegen - Mehrkosten 155 Euro. Käme dann aber erst gegen 22 Uhr an. Schlecht für die gemeinsamen Ferien mit Gaby. Daher buche ich den Flug bei der Estonian free of charge um und komme halt 1 Tag früher zurück als vorgesehen. Damit habe ich sicher genügend Zeit für den Umstieg (und kann noch Wäsche wechseln). Zurück in der Altstadt muss ich mir zuerst mal was Gutes tun: mit einem schönen Rinderfilet an grüner Pfeffersauce. Die Preise tragen hier ja schon Schweizer Format, aber die Qualität der Ware entspricht ebenfalls.DSC01810 Danach treibe ich mich in den Hinterhöfen und Zwischengässchen rund um das älteste Gebäude von Tallinn herum: dem Katharinen-Kloster. Die Katharinen-Passage und weitere Gässchen sind voll von Handwerks-Läden, Galerien und Restaurants. Mit Kellergewölben wie in Bern. Und wenn ich schon da bin, schaue ich auch noch das Claustrum des alten Dominikaner-Klosters an, das von 1246 datiert, aber seit Mitte des 16.Jhdts. verlassen ist. Danach Camper. Den habe ich heute übrigens umgestellt, sodass ich jetzt Internet am Platz und TV-Empfang habe. Und so, dass er in der Zeit, wo er allein steht, gut im Auge behalten werden kann.

Freitag, 19.07.:  Die ganze Nacht hat es geregnet und jetzt ist das Wetter bedeckt und kühl. Ich nutze diesen etwas verlorenen Tag, um mich, meine Garderobe und meinen Camper wieder auf Vordermann zu bringen. Und für die nächsten paar Tage zu packen. Zudem gehe ich noch Kleinigkeiten einkaufen, um in den Tagen, die ich zusätzlich da bin, versorgt zu sein.DSC01818 Dazu fahre ich dieses Mal Richtung Pririta zum grossen Selver. Einem kleinen Ort mit schönem Sandstrand an der Tallinner Bucht. Der Yachthafen und die überdimensionalen Hotelanlagen zeugen davon, dass estnische (und auch ausländische) Segler und Surfer gerne hier Ferien machen. Direkt hinter dem Hafen liegt das riesige Sportzentrum, das zur Olympiade 1980 eröffnet wurde. Im Vorbeiweg komme ich am Deutschen Kriegsgräber-Denkmal vorbei, das als grosser Park zwischen Tallinn und Pririta angelegt ist. Nachmittag und Abend: Internet und Skype.

Samstag, 20.07.:  Der Flug nach “Saint Pete” (wie St. Petersburg hier kurz genannt wird) verläuft bis auf die Landung problemlos. Im Anflug ruckelt es ein bisschen - und draussen regnet es. Die Taxifahrt vom Flughafen in die Innenstadt kommt mir vor wie eine Fahrt durch Hinterhöfe: Bauruinen, verfallene Gebäude und Riesen-Plattenbauten. Alles eher düster und grau. Mittendrin taucht plötzlich die Feodorowskij-Kathedrale mit ihren 5 goldenen Kuppeln auf - wie ein Fünfliber im Kuhfladen. Mein Taxifahrer kennt und findet das Hotel Rinaldi Premier nicht. Er lädt mich einfach an der angegebenen Adresse ab. Ich kann es ihm nicht verdenken, auch ich laufe 3 mal am Hotel vorbei und frage mehrere Leute, bis ich die alte Eisentüre mit einem kleinen Hotel-Aufkleber entdecke. Daneben eine Tastatur zum Eingeben eines Codes. Nur welchen? Auf meinem Voucher ist jedenfalls keiner zu finden. Von herauskommenden Leuten werde ich erlöst. Über die bröckelnde Treppe eines ehemaligen Wohlstands-Hauses geht es hoch. Im ersten Stock der Empfang: nicht gerade Luxus, aber ok. Das Zimmer dagegen - naja. Ein kleiner schmaler Schlauch mit den Restmöbeln der Grossmutter. Ein breites aber kurzes Bett (für mich knapp genügend) mit durchgelegener Matratze. Dusche/WC lässt sich im Vergleich dazu einigermassen sehen. Fernsehen ist zwar auf dem Zimmer, aber zwischen den 10 Programmen verändert sich einfach leicht der Schnee. Sicher kein 3,5-Sterne-Hotel wie angegeben - 2 Sterne würden eher passen. Dafür am Nevskij-Prospekt - der Bahnhofstrasse St. Petersburgs. Als erstes wird eine Registrierungs-Gebühr verlangt, obschon im Voucher klar steht inkl. aller Nebenkosten. Mein Start in Saint Pete ist nicht gerade ein Hit. Die Zeit lässt noch einen Stadtbummel im Quartier zu: Feodorowskij-Kathedrale von nah, alte und neue “deutsche” Erkerhäuser, der Moskau Bahnhof mit dem davor gelegenen Ploschtschad Wosstanija und seinem Obelisken mit russischem Stern (Piccadilly Circus von St. Petersburg). Das Glück lacht mir doch noch zu: ganz in der Nähe meines Hotels finde ich das Restaurant “Garçon” mit feinster französischer Küche. Mein Nachtessen: ein Canard confit mit Gratin dauphinois und eine Crème brûlée mit Cointreau und Orangenschalen. Ein kleiner feiner Trost. Den brauche ich auch - nachts ist hier kein wirkliches Schlafen: bis 3 Uhr lärmen die Leute, ab 4 Uhr beginnt der Lastverkehr. Fenster offen = Lärm, Fenster zu = keine Luft!

Sonntag, 21.07.:  Das Wetter ist heute schön, aber kühl.DSC01843 Ich laufe die ganzen DSC019284,5km des Nevskij-Prospektes hinunter bis zum Winterpalast. Diese Strasse ist so etwas wie die Hauptschlagader St. Petersburgs. Da stehen Paläste und edle Häuser, Ladenpassagen und Kaufhäuser, Luxushotels, Restaurants, Bars und Kinos. Herausgeputzt und auf Hochglanz poliert. Viele Geschäfte finden sich aber auch in den Hinterhöfen.DSC01932 Und wirft man mal den Blick dort hinein, sieht es ganz anders aus: düster und herabgewirtschaftet, wenn auch sauber. DSC01870Es ist, wie wenn die Stadt für die Besucher Paradeuniform mit einer löchrigen Unterhose darunter tragen würde. Mein erstes Ziel ist die Hermitage. Dieses überwältigende Museum ist schon Grund allein, St. Petersburg zu besuchen. Und zu Recht steht es auf einer Stufe mit Louvre, Prado oder Met. Im Winterpalast, der kleinen, der grossen und der neuen Hermitage werden auf 3 Stockwerken über 60’000 Exponate ausgestellt. Wobei der WinterpalastDSC01883 und seine Anbauten selber - einstige Hauptresidenz der Zarendynastie - der prächtigste der gezeigten KulturschätzeDSC01916 ist. Räume, Decken, Wände, Böden und Antiquitäten aus aller Welt machen ihn zum einmaligen Erlebnis. Nach 4 Stunden Laufen und Staunen unter Tausenden von anderen Besuchern muss ich allerdings wieder raus. DSC01877Ich habe noch nicht einmal die Hälfte gesehen, fühle mich aber wie eine prall gefüllte Stopfgans. Und die Leute hier machen mich nervös: jeder drängeltDSC01880 sich rücksichtslos vor. In einem Café am Moyka-Kanal Füsse strecken, Toilette, Bier und Cigarillo. Dann schlendere ich zur Christi-Auferstehungs-Kirche, einer bunten Zwiebelturm-Kirche, die etwas aus dem Rahmen fällt. Anlass für den Bau war das Attentat auf Zar Alexander II.: sie wurde auf der Stelle errichtet, wo dieser tödlich verwundet wurde. Und sie diente ganz sicher Hundertwasser DSC01905als Vorlage für seine Bilder und Architektur. Auf dem Rückweg zum Hotel laufe ich noch durch das Gostiny Dwor, die Shopping-Galerie, die für die St. Petersburger DSC01903das Zentrum der Stadt markiert. Das Wetter verschlechtert sich zusehends und es wird Zeit etwas zu essen. Als Kontrast-Programm zu gestern gehe ich ins nahe McDo: auch in dieser Stadt gibt es da günstig Chicken Nuggets mit Pommes und Cola Light. Anschliessend Kaffee und Cigarillo in einem gedeckten Café am Moskau Bahnhof: teuer und mit Servicemängeln wie überall hier. Es gibt zwar überdurchschnittlich viel Personal, aber keiner tut zwei Dinge aufs Mal. Bestellung aufgenommen, serviert oder kassiert wird immer nur separat und von einem einzelnen Tisch. Glücklicherweise habe ich Ferien und Zeit.

Montag, 22.07.:  Beim Aufstehen Regen pur. Nach dem Frühstück, das man sich in diesem Hotel selber zubereitet, schreibe ich erst mal Karten. Wie der Regen aufhört los zu einem Postoffice, denn Marken gibts nur da. DSC01841Anschliessend mache ich eine Stadtrundfahrt per Boot. Von der Anitschkow-Brücke aus (berühmt wegen der Pferde-Figuren an ihren 4 Ecken) fährt das Boot die Fontanka runter zur Newa: vorbei am Circus (fest installierter Zirkus im üppigen Rundbau), der Michaels-Burg (einzige Burg in Saint Pete), dem Tschischik-Pyschik (winzigstes Denkmal der Stadt - ein Bronze-ZeisigDSC01935 auf Sockel in der Ufermauer der Fontanka, auf den die Leute von der Ufermauer aus Münzen werfen. Wer trifft, den trifft das Glück!), dem Sommer-Palast und -Garten von Peter dem Grossen, dem Marmor-Palast, der Peter und Paul-Festung auf der Haseninsel in der Newa (Inselbollwerk, aus dem sich St. Petersburg entwickelte), der Strelka und Wassilij-Insel mit den Rostra-Säulen, dem Universitäts-Gelände, der zur Zeit eingepackten Admiralität sowie dem Wintergarten und der HermitageDSC01989. Zurück geht es je ein Stück über den Fontanka-, den Moyka-, Gribojedova- und Kryukova-Kanal wieder zur Fontanka und der Anitschkow-Brücke. Vorbei an der Christi-Auferstehungs-Kirche und unter der Bank-Brücke (mit den 4 golden beflügelten Löwen, die in ihren Mündern die Tragseile der Hängebrücke halten, wohl originellste der über 500 Brücken des “Nördlichen Venedigs”, wie St. Petersburg auch genannt wird) hindurch. Am Abend flaniere ich durch das gut besuchte Galeria Shopping-Center direkt beim Moskau Bahnhof. Zum Nachtessen wieder der Franzose: diesmal mit Guacamole, Tatar coupé à la main (spannend gewürzt mit Ingwer und Schalotten) und Crème brûlée mit Rosmarin.

DSC01944Dienstag, 23.07.:  Heute ist Untergrund angesagt. DSC01954Und zwar über 100m tief unter der Stadt. Die berühmte Linie 1 der Metro. Mit Stalins letzten Kathedralen: Metrostationen wie Ruhmeshallen. In “Stalin-Barock”. Start am Ploschtschad Wosstanija, 1955 Endstation der ersten U-Bahn-Linie. In der Puschkinskaija - 2 Stationen weiter - steige ich erst mal aus. Denn oben ist der Witebsker Bahnhof - eine Jugendstil-Legende von 1904 - zu DSC01948bewundern. Dessen Wartsaal mit Kerzenleuchtern, SpiegelnDSC01947 und Marmorboden wirkt eher wie ein nobler Festsaal. Und die Paradetreppe wäre eines Zarenschlosses würdig. Im Untergrund folgen dann die Baltijskaja, Narwskaja, Kirowski Sawod und schliesslich Awtowo. Dort steige ich aus, denn mein eigentliches Ziel heute ist der Peterhof - rund 30km ausserhalb Sankt Petersburgs. Mit der privaten Buslinie 300 fahre ich von da direkt zum DSC01969“Russischen Versailles”. Zweiter Höhepunkt von Saint Pete.DSC01975 Der Peterhof wurde von Peter I. in seinen Grundzügen als Lustschloss und Prunkresidenz erdacht. Vorherrschende Farbe ist Gold. Sowohl im barocken Äusseren als auch in den über 50 Räumen und Säälen, die sich gegenseitig an Originalität und Schönheit zu übertreffen versuchen. Gleiches gilt im Park mit seinen vielen Schlösschen und Wasserspielen. 4,5 Mio Besucher zählt der Peterhof jedes Jahr. Die Hälfte davon muss heute hier sein. Das Gedränge ist enorm. Die DSC01978Warteschlange lang. Und wieder fällt mir die Rücksichtslosigkeit und AggressivitätDSC01979 der Leute auf. Jeder drängt die andern auf die Seite, an der Kasse steht man per Äxgüsi vorne hin, sozusagen um zu lesen, was an der Tafel steht, und bleibt einfach da stehen, und so weiter und so fort. Zudem werden Touristen abgerissen und bezahlen oft das DoppelteDSC01967. Oder wie im Peterhof: der Eintritt wirkt relativ moderat, gilt aber - wie man bald merkt - nur für den Park. Es folgen Eintritte fürs Schloss und jedes weitere “Museum”, immer deutlich teurer als der Grundeintritt. Bei diesem Gewimmel und Gewühl reizt es mich sowieso nicht, mich in den Gebäuden herumschieben zu lassen. Ich geniesse den weitläufigen und wunderschönen Park mit all seinen Details. Danach lasse ich es mir aber nicht nehmen, mit dem Tragflügelboot mit 60kmh zurück nach St. Petersburg zu flitzen.

Mittwoch, 24.07.:  Ich bin froh, dass es heute wieder zurück ins beschauliche Tallinn geht. Das permanente Schlachtfeld von St. Petersburg macht mich nervös und aggressiv. Klar, es gibt hier beeindruckende Schönheiten, aber nicht nur das Wetter ist oft frostig und rau - auch die Sitten und Bräuche sind so. Bevor ich mich zum Flughafen fahren lasse, besuche ich noch das Alexander Nevskij-Kloster. Ganz in der Nähe komme ich dabei an einem der vielen Kunstprojekte der St. Petersburger Avantgardisten vorbei. Die Kunstszene in dieser Stadt ist rege. Beim Abflug von Saint Pete regnet es, bei der Ankunft in Tallinn scheint nach einem ruhigen Flug die Sonne. Für mein Gefühl passend.

Donnerstag, 25.07.:  Trotzdem ich gestern Abend früh ins Bett bin, schläft es bis gegen 10 Uhr. Jetzt aber dalli DSC02118- ich will noch waschen, dann in Ruhe frühstücken und packen für Helsinki. Ich freue mich riesig darauf Gaby wiederzusehen. Alles klappt prima. Ich montiere im Camper drin meine beiden Wäscheleinen und hänge alles auf. Schon um 14 UhrDSC02065 bin ich reisefertig. Noch etwas Kleines essen, Taxi bestellen und ab zum Flughafen. Der Flug verläuft ruhig. In Helsinki nehme ich den Finnair-Shuttle zum Bahnhof, wo mich Gaby schon erwartet (sie ist 3 Stunden früher angekommen). Sie meldet Hunger an und ganz in der Nähe finden wir ein feines Tapas-Restaurant, wo wir gemeinsam eine Seafood-Platter verzehren. Dann Zimmerbezug im Hotel (zwar in einem etwas in die Jahre gekommenen Quartier, aber mit modernsten Zimmern - für mich Luxus pur) und Besprechen unseres Programms für die nächsten Tage in der Hotel-Bar.

DSC02003Freitag, 26.07.:  Das Frühstück ist imDSC02004 Hotelpreis nicht inbegriffen. Ist uns gerade recht. So können wir frei wählen, wo wir was essen. Ganz in der Nähe haben wir ein Wiener Kaffee gesehen und gehen spontan da hin. Gut, wenn auch nicht umwerfend. Anschliessend wollen wir beim Flohmarkt ganz in der Nähe auf die Hop on Hop off-Stadtrundfahrt aufspringen. Erst spät merken wir, dass diese Rundfahrten erst um 11 Uhr beginnen. Dafür ist die Kaupahalli (Markthalle) am Flea MarketDSC02023 äusserst spannend und wir sind uns schnell einig, morgen hier zu frühstücken. Draussen - schliesslich ist das WetterDSC02024 schön und warm. Statt noch lange zu warten, fahren wir dann mit einem Zubringer-Shuttle zum Senatsplatz, der als einer der schönsten neo-klassizistischen Plätze der Welt gilt. Wir steigen die steilen Stufen zur Domkirche hoch und haben dort das Glück, gerade richtig zum Orgelkonzert zu kommen. Der Innenraum der lutheranischen Kirche ist schlicht gehalten und Altar, Altargemälde, Kanzel, Orgel und Kronleuchter sind der einzige Schmuck. Von da schlendern wir zum nahen Marktplatz am Südhafen, in dessen Mitte ein DSC02052Obelisk mit goldener Kugel und russischem Doppeladler steht - der sog. Stein der Zarin. Die BudenDSC02042 mit dem angebotenen Fisch in allen Variationen reizen uns jedoch nicht so sehr. Wir suchen uns für das Mittagessen lieber eines der Restaurants am Rande des Marktes aus. Unser so schön besprochenes Programm ist bereits total auf den Kopf gestellt. Und wieder entscheiden wir uns ganz spontan für ein Sightseeing by Boat. Das uns durch den ganz eigenen ZauberDSC02040 der Insel- und Schären-Welt vor Helsinki führt. Die felsigen, teils bewaldeten grösserenDSC02049 und kleineren Inseln verfügen über Wanderwege, Strände, Saunahäuschen, Bootshäfen, Grillplätze - und sind teilweise auch bewohnt. Zurück im Hafen wenden wir uns der orthodoxen Uspenski-Kathedrale zu, einem dunkelroten Backsteinbau mit 13 vergoldeten Kuppeln, der zwischen Nord- und Südhafen thront. Das prächtige Innere sorgt für eine feierliche Stimmung. AnschliessendDSC02056 flanieren wir zurück zum Marktplatz und am Havis Amanda-Brunnen vorbei zum Kappeli, dem legendären Café und Restaurant im Esplanaden-Park. Bei Bier und DSC02061Cüpli schauen wir dem ringsum bunten Treiben zu. Etwas ermüdet entscheiden wir, uns im Hotel wieder aufzufrischen. Am Jugendsali - ursprünglich Bank, heute Café im Jugendstil - vorbei schlendern wir die Esplanadi hoch zum Tram. Das anschliessende Nachtessen im Toscanini wird zum kulinarischen Erfolg. Wir geniessen es beide.

Samstag, 27.07.:  Nach dem Frühstück in der Kauppahalli fahren wir mit dem Tram zum DSC02081Bahnhof, um diverse Kleinigkeiten wie KartenDSC02082 und Marken einzukaufen. Anschliessend wollen wir eigentlich auf die Hop on Hop off-Rundfahrt. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Vieles der Rundfahrt haben wir ja gestern schon gesehen, zudem sind wir im Besitz einer Tageskarte der ÖV und Tram 7 ist ein Rundkurs durch Helsinki. Also kurz entschlossen Tram 7. Nach gut 1 Stunde Fahrt durch die Innenstadt und angrenzende Quartiere finden wir uns wieder am Bahnhof. Jetzt wissen wir aber genau, wo es zur Finlandiahalle und zur Felsenkirche geht. Hop on Hop off ist kein Thema mehr. Die Finlandiahalle, das bedeutende Konzert- und Tagungszentrum gestaltet von Alvar Aalto, beeindruckt uns allerdings nicht sehr. Sie ist doch etwas altjüngferlich geworden. Zudem sind Sommerferien und alles ist zu. Der Weg zur Felsenkirche ist nicht weit, geht aber bergauf und -ab. Dieser einzigartige spirituelle Ort ist - gerade auch wegen seiner Schlichtheit - beeindruckend. Der runde Innenraum wurde in den Fels gesprengt, grob behauener Granit bildet die Wände. Das Ganze ist überspannnt von einer Kuppel aus Betonstreben, gedeckt mit einem Kupferdach. Eingangsbereich, Empore, Altar - und selbst  die Orgel - sind in den Materialien Stein, Holz, Kupfer und schlichtem Beton gehalten. Musik muss hier drin im wahrsten Sinne himmlisch tönen. Leider kommen wir jedoch nicht in solchen Genuss. Der Weg zur Kirche hat Gabys Knie strapaziert, daher nehmen wir das Tram zum Marktplatz, wo wir wieder DSC02078Zmittag essen. An der dortigen Tourist-Info lassen wir uns die Möglichkeiten erklären, nach Porvoo zu kommen, wo wir morgen hin wollen. Dann geht es in den Brunnenpark, einer grünen Hügellandschaft am Meerufer, und zum Café Ursula, dem beliebtesten Strandcafés Helsinkis. Im Vorbeiweg kommen wir an einer Hochzeit vorbei. Mit vielen kleinen Kindern, die wahrscheinlich aufgeregter als die Erwachsenen sind. Eigentlich möchten wir die alten Teppichwaschanlagen ansehen, bummeln aber in die falsche Richtung. So gelangen wir wieder an den Marktplatz. Heute abend wäre Suomenlinna, die Inselgruppe direkt vor der Südhafen-Einfahrt, angesagt. Aber wegen dem lädierten Knie ziehen wir wieder Hotel und Ausruhen sowie Toscanini vor. Dafür reicht die Energie nach dem Essen noch zu einem Spaziergang durch die Innenstadt.

Sonntag, 28.07.:  Um nach Porvoo zu gelangen, haben wir uns für ein Mietauto entschieden. Erstens kostet es etwa gleich viel wie andere Möglichkeiten und zweitens sind wir damit am Nachmittag und Abend frei, weitere Optionen auszuschöpfen. Ich hole um 9 Uhr bei EuropcarDSC02109 unseren VW Up ab und wir treffen uns an der Kauppahalli zum Frühstück. Danach nehmen wir die gut 50km nach Porvoo unter die Räder. Porvoo ist ein städtehistorisches Kleinod. Seine malerischen roten Lagerhäuser am Porvoonjoki sind ein beliebtes Fotomotiv. Nebst dem DomDSC02098 aus dem 13.Jhdt. ist vor allem die Altstadt aus dem 17.Jhdt. - fast originalgetreu erhalten - ein Besucher-Magnet. Hier geht man noch über Kopfsteinpflaster und die alten Häuser beherbergen nicht nur Wohnungen, sondern auch Museen, nette kleine Läden und Geschäfte sowie reizvolle CafésDSC02107 und Restaurants. Im Helmi-Café lassen wir uns mit Kaffee und Kuchen verwöhnen. Das Mittagessen nehmen wir dann allerdings auf dem ausgedienten Schoner “Glückauf” ein. Für einen Schiffskoch nicht einmal übel. Zurück in Helsinki fahren wir direkt zu den Teppichwaschanlagen, die auch heute noch rege gebraucht werden. Dabei werden die Teppiche im Meer gewaschen, auf Tischen mit Wurzelbürste und Schmierseife aus Kiefernextrakt geschrubbt und in einer Wringe ausgewunden. Um dann an der Sonne endgültig zu trocknen. Im angrenzenden Café nehmen wir auf Empfehlung hin ein Cüpli. Zeitlich reicht es gerade knapp noch für Suomenlinna. Wo wir die allabendliche Ausfahrt der Schiffe beobachten möchten. Allerdings kehren wir bald um, weil sowieso die Restaurants alle am schliessen und weil die Laufstrecken für Gabys Knie zu weit sind. Wohin also? Zu Toscanini.

Montag, 29.07.:  Kurzer Stress zu Tagesbeginn. Spätestens 09.15 Uhr muss ich das Auto DSC02059abgeben - ich erwache um 08.40. Uiuiui, hopplahopp. Um 09.14 bin ich bei Europcar, Auto aufgetankt, alles paletti. Frühstück in der Kauppahalli, Packen, Zimmer abgeben - und doch noch kurz zum Stockmann, Finnlands grösstem und traditionsreichstem Kaufhaus. Aber aus dem Jeans-Jupli für Gaby wird nichts. Also noch kurz ins Kappeli zum Apero und in unser Restaurant am Markt zum Zmittag. Und schon wird es knapp für Gepäck holen und Flughafen. Aber auch das schaffen wir. Was gut ist, denn wir brauchen die Zeit, am Flughafen herrscht nacktes Chaos. Nach Plan fliegt Gaby 10 Minuten vor mir. Effektiv fliegen wir fast gleichzeitig ab. Mein Flug verläuft ruhig und 1/2 Stunde später bin ich in Tallinn schon am Boden. Innen im Camper ist es ziemlich heiss, dafür ist alle Wäsche knochentrocken. Etwas lüften, auspacken, einräumen. Essen mag ich nicht viel. Helsinki mit Gaby war schön - nur viel zu kurz.

Dienstag, 30.07.:  In Ruhe ausschlafen, dann Morgenritual. Anschliessend am Bike die Satteltaschen montieren und zum Einkaufen fahren. Denn der Kühlschrank ist leer. Nächstes Problem: ein Coiffeur - meine Haare sind zu lang und hängen traurig herunter. Ich finde eine Russin, die Zeit hat. Aber mir so etwas wie eine Stalin-Frisur verpasst. Ok, also nach Hause und mit der Haarschere etwas nachhelfen. Passt am Ende nicht schlecht. Jetzt kann ich mit dem Bericht von St. Petersburg beginnen.

Mittwoch, 31.07.:  In der Nacht Regen, jetzt Wolken mit Sonne dazwischen. Nach dem Morgenritual ist Wäsche waschen angesagt. Danach Berichte von Saint Pete und Helsinki fertig stellen. Inmitten der im Camper aufgehängten Wäschestücke. Dazwischen Internet - Nachholbedarf - und Skypen mit Gaby - auch schon wieder Nachholbedarf.

Donnerstag, 01.08.:  Diese Nacht hat es heftig geregnet, dafür wird der Tag sehr schön. Heute heisst es zusammenräumen, alles reinigen, bereit machen zur grossen Überfahrt nach Stockholm und Abschied von Tallinn zu nehmen. Im Ganzen stand ja mein Camper 17 Tage da. Wie ich die Rechnung bezahle die freudige Überraschung: der Campingplatz verrechnet mir für die 8 reinen Standtage (wo ich weg war) nur 7 Euro/Tag. Super. Der zweite Teil meiner Reise geht heute zu Ende und es ist Zeit, Bilanz über diese rund 4500 Kilometer zu ziehen. Sie waren sensationell. Einerseits mit vielen Höhepunkten: Rostock mit Warnemünde, Fischland/Darss/Zingst, Rügen/Usedom, Danzig, Masurische Seenplatte, Vilnius, Rundale, Riga, Gauja-Nationalpark, Tallinn, St. Petersburg (trotz ambivalenter Gefühle) und Helsinki. Anderseits mit herrlichem Wetter: in den 59 Tagen hatte ich 32 Sonnentage, 15 Tage bedeckt mit Sonne, 8 Tage bedeckt ohne Sonne und nur 4 wirkliche Regentage.

 Home   Coaching   Mitreisen   Reiseplanung   Reiseberichte   Kontakt   Links
thCAAZ9MBD
DSC01198
DSC01193
DSC01206
DSC01202
DSC01203
DSC01204
DSC01210
DSC01207
DSC01215
DSC01217
DSC01218
DSC01229
DSC01227
DSC01242
DSC01243
DSC01238
DSC01245
DSC01252
DSC01265
DSC01269
DSC01274
DSC01270
DSC01284
DSC01281
DSC01285
DSC01287
DSC01291
DSC01295
DSC01293
DSC01298
DSC01301
DSC01302
DSC01306
DSC01312
DSC01309
DSC01317
DSC01323
DSC01329
DSC01326
DSC01336
DSC01338
DSC01341
DSC01354
DSC01349
DSC01344
DSC01362
DSC01357
DSC01361
DSC01372
DSC01363
DSC01366
DSC01365
DSC01378
DSC01376
DSC01383
DSC01379
DSC01382
DSC01391
DSC01399
DSC01406
DSC01419
DSC01421
DSC01423
thCAAQSWDO
thCAPG8NOY
DSC01428
DSC01430
DSC01435
DSC01436
DSC01441
DSC01437
DSC01451
DSC01450
DSC01457
DSC01453
DSC01459
DSC01462
DSC01463
DSC01466
DSC01469
th
DSC01491
DSC01471
DSC01479
DSC01480
DSC01481
DSC01482
DSC01490
DSC01488
DSC01495
DSC01496
DSC01498
DSC01499
DSC01502
DSC01507
DSC01508
DSC01504
DSC01510
DSC01513
DSC01515
DSC01516
DSC01511
DSC01518
DSC01521
DSC01523
DSC01524
DSC01527
DSC01532
DSC01534
DSC01537
DSC01543
DSC01550
DSC01558
DSC01571
DSC01575
DSC01578
DSC01590
DSC01599
images
DSC01606
DSC01609
DSC01613
DSC01610
DSC01617
DSC01618
DSC01619
DSC01621
DSC01631
DSC01624
eebd10fc9c
DSC01639
DSC01642
DSC01640
DSC01641
DSC01645
DSC01649
DSC01648
DSC01665
DSC01668
DSC01670
DSC01672
DSC01677
DSC01690
DSC01687
DSC01692
DSC01689
DSC01696
DSC01702
DSC01703
DSC01706
thCA8VRRJH
thCAO05RY5
DSC01707
DSC01708
DSC01709
DSC01710
DSC01715
DSC01713
DSC01716
DSC01718
DSC01720
DSC01722
DSC01726
thCAJVHAVL
DSC01727
imagesCATKQS7R
DSC01734
DSC01737
DSC01738
DSC01745
DSC01746
DSC01750
DSC01754
DSC01757
DSC01761
DSC01764
DSC01770
DSC01774
DSC01779
DSC01785
DSC01787
DSC01788
DSC01789
DSC01791
DSC01793
DSC01795
DSC01811
DSC01816
DSC01821
DSC01822
DSC01832
DSC01847
DSC01855
DSC01930
DSC01862
DSC01864
DSC01869
DSC01887
DSC01902
DSC01927
DSC01837
DSC01836
DSC01943
DSC01986
DSC01988
DSC01945
DSC01952
DSC01955
DSC01966
DSC01963
DSC01984
DSC01960
DSC01994
DSC01993
DSC01999
DSC02008
DSC02009
DSC02010
DSC02027
DSC02076
DSC02045
DSC02053
DSC02060
DSC02058
DSC02066
DSC02087
DSC02069
DSC02072
DSC02074
DSC02103
DSC02091
DSC02100
DSC02101
DSC02110
DSC02115
DSC02116
DSC02122
DSC02123
DSC02124
DSC02125
imagesCAX9ZW9T
imagesCA5F17OW
imagesCACQ7JSR